Inhalt
I Grundlagen
- Selbstverständnis, Gegenstände und Aufgaben der Arbeits- und Organisationspsychologie
- Geschichte
- Methoden
II Organisation
- Organisationstheorien
- Interaktion und Kommunikation
- Gravitation und organisationale Sozialisation
- Führung von Mitarbeitern
- Teamarbeit
- Konflikte von Organisationen
- Organisationdiagnose
- Organisationsklima und Organisationskultur
- Organisationsentwicklung
- Mergers & Acquisitions: Fusionen und Unternehmensübernahmen
III Personal
- Berufswahl und berufliche Entwicklung
- Anforderungsanalyse
- Personalmarketing
- Personalauswahl
- Leistungsbeurteilung
- Personalentwicklung
IV Arbeit
- Theoretische Modelle des Arbeitshandelns
- Arbeitsanalyse und -bewertung
- Arbeitsgestalung und Produktion und Verwaltung
- Gruppenarbeit in der Produktion
- Arbeitsmotivation und Arbeitszufriedenheit
- Formen des Arbeitsverhaltens
- Aus- und Weiterbildung: Konzepte der Trainingsforschung
- Psychologie der Arbeitsscherheit
- Wirkungen der Arbeit
- Neue Formen der Arbeit: Das Beispiel Telekooperation
V Die Schnittstelle Organisation - Markt: Dientleistungen
- Dienstleistungstätigkeiten
- Dienstleistungsqualität und Kundenzufriedenheit
- Steuerung der Dienstleistungsqualität
Kapitel 1: Selbstverständnis, Gegenstände und Aufgaben der Arbeits- und Organisationspsychologie
Womit beschäftigt sich die Arbeits- und Organisationspsychologie? Welche Themenfelder werden unter welchen wissenschaftlichen Fragestellungen und Perspektiven bearbeitet? Was tun Arbeits- und Organisationspsychologen in der Praxis und in welchen Kontexten arbeiten sie? Wodurch ist das fachliche Selbstverständnis dieser psychologischen Teildisziplin gekennzeichnet? Mit welchen Themen und Fragen wird sich die Arbeits- und Organisationspsychologie zukünftig schwerpunktmäßig beschäftigen? Dies sind zentrale Fragen, mit denen sich dieses einleitende Kapitel des Lehrbuches auseinandersetzt. Ziel ist dabei, wesentliche Gegenstände, das fachliche Selbstverständnis, Aufgaben- und Untersuchungsfelder sowie Bearbeitungsperspektiven der Arbeits- und Organisationspsychologie vorzustellen und zu erläutern. Nach der Einführung der zentralen Gegenstände und Fragestellungen der Arbeits- und Organisationspsychologie werden vertiefend dazu Begriffbestimmungen, Themenfelder und Bearbeitungsperspektiven vorgestellt. In zwei weiteren Abschnitten werden das wissenschaftliche und fachliche Selbstverständnis der Arbeits- und Organisationspsychologie erläutert und Untersuchungs- und Aufgabenfelder des Faches charakterisiert. Abschließend werden aktuelle und zukünftige Themenfelder dieser Teildisziplin skizziert.
Kapitel 2: Geschichte
Dass sich die psychologische Forschung in der hier interessierenden Teildisziplin auf ein doppeltes Objekt bezieht – auf Arbeit und Organisation –, lässt sich erst aus ihrer historischen Entwicklung nachvollziehen. Diese kann hier nur kursorisch in ihren Hauptlinien nachgezeichnet werden (vgl. ausführlich u. a. Gundlach, 1996; Lück, 2004; Vinchur & Koppes, 2011; Koppes Bryan & Joyce, 2013). Nimmt man die bahnbrechenden Arbeiten von Wilhelm Wundt als Ausgangspunkt moderner psychologischer Forschung, lassen sich diese Hauptlinien mit den Schlagworten "Taylorismus" und Münsterbergs Programm der "industriellen und sozialen Psychotechnik" benennen. Relativ eigenständige Wurzeln weisen dagegen die Vorläufer der Berufs- und der Personalpsychologie auf.
Kapitel 3: Methoden
"Ich halte dafür, dass das einzige Ziel der Wissenschaft darin besteht, die Mühseligkeit der menschlichen Existenz zu erleichtern" (Bert Brecht, Leben des Galilei).
Die Arbeits- und Organisationspsychologie ist eine angewandte Wissenschaft. Weil sie eine wissenschaftliche Teildisziplin der Psychologie ist, beschäftigt sie sich mit der objektiven Beschreibung, Messung, Erklärung und Prognose des Erlebens und Verhaltens von Menschen in Organisationen und an der Schnittstelle zu Organisationen. Menschen in Organisationen haben z. B. die Rolle von Mitarbeitern, Kollegen, Führungskräften oder Unternehmern. Menschen an der Schnittstelle zu Organisationen sind z. B. Bewerber, Kunden oder Aktionäre. Weil sie eine angewandte Disziplin ist, forscht die Arbeits- und Organisationspsychologie auch mit dem Ziel, die Praxis zu beraten, Innovationen zu entwickeln sowie Evaluationen in der Praxis durchzuführen. Allerdings hat die Arbeits- und Organisationspsychologie als angewandte Disziplin auch eine aufklärende Funktion (Blickle & Witzki, 2006). Sie soll
- Vorurteile, Mythen, und Ideologien der Praxis aufdecken,
- versteckte Wertprämissen transparent machen,
- Traditionen und Gewohnheiten infrage stellen sowie
- die Wünsche von Praktikern am tatsächlich Machbaren prüfen.
Um diese Ziele erreichen zu können, ist eine unvoreingenommene, unparteiliche, rationale, transparente und vor allem erfahrungsbasierte, d. h. empirische Untersuchung der Gegebenheiten und Wirkungszusammenhänge erforderlich. Nicht Spekulationen, Wunschdenken oder Interessen, sondern empirisch fundierte Aussagen, die auf Beobachtung, Messung und Bedingungsvariationen bei Kontrolle der Randbedingungen beruhen, bestimmen die Arbeits- und Organisationspsychologie. Heinz Schuler (2006) hat dies als quasi naturwissenschaftliche Arbeitshaltung bezeichnet. Diese impliziert auch, dass die Arbeits- und Organisationspsychologie nicht zu allen Fragestellungen, die aus der Praxis an sie herangetragen werden, sofort eine Aussage machen kann. Vielmehr gehört auch das Wissen um die Begrenztheit dessen, wozu aktuell empirisch begründete Aussagen gemacht werden können, zum Selbstverständnis der Arbeits- und Organisationspsychologie. Neben dieser Anerkennung der eigenen Grenzen ist die Offenheit für Selbstkorrekturen eine weitere wichtige Quelle für die Weiterentwicklung der wissenschaftlichen Erkenntnisse. Das methodologische Regelwerk der Psychologie und die darauf aufbauenden Methoden der Arbeits- und Organisationspsychologie dienen letztlich dem Zweck, sicherzustellen, dass diese unvoreingenommene, unparteiliche, rationale und transparente empirische Untersuchung der Gegebenheiten und Wirkungszusammenhänge des Erlebens und Verhaltens von Menschen in Organisationen erfolgreich ist. Im Folgenden sollen deshalb kurz die wichtigsten Schritte des arbeits- und organisationspsychologischen Forschungsprozesses skizziert werden.
Kapitel 4: Organisationstheorien
Psychologie wird als Wissenschaft vom menschlichen Erleben und Verhalten definiert, Organisationspsychologie ist entsprechend die Wissenschaft vom menschlichen Erleben und Verhalten in Organisationen (von Rosenstiel & Nerdinger, 2011). Das hier interessierende menschliche Erleben und Verhalten ist also immer auf die Situation in Organisationen bezogen – nur was Menschen in Auseinandersetzung mit dieser Situation erleben und wie sie sich in Bezug zu dieser Situation verhalten, ist für die Organisationspsychologie entscheidend. Bevor man sich diesem Erleben und Verhalten zuwenden kann, muss daher ein grundlegendes Verständnis von Organisation, ihren Funktionen, Zielen und Wirkmechanismen hergestellt werden. Das ist die Aufgabe dieses Kapitels. Im Folgenden wird daher zuerst der hier verwendete Organisationsbegriff verdeutlicht. Organisationstheorien dienen dem Zweck, so gekennzeichnete Organisationen zu verstehen und zu erklären (Scherer & Marti, 2014). Die Ausführungen beschränken sich auf solche Theorien, die einen zentralen Aspekt der Organisation – ihre formale Struktur – erklären wollen. Durch formale Strukturen soll das Verhalten der Organisationsmitglieder auf die Ziele der Organisation ausgerichtet werden, solche Strukturen begrenzen und ermöglichen das Handeln von Individuen und Gruppen in Organisationen. Daher wird zunächst die Frage der Gestaltung von Strukturen ("Strukturierung") besprochen, anschließend werden allgemeine formale Strukturen und schließlich die wichtigsten Theorien zu ihrer Erklärung vorgestellt.
Kapitel 5: Interaktion und Kommunikation
Organisationen bestehen, weil die dort arbeitenden Menschen immer wieder ihre Handlungen aufeinander abstimmen. Sie machen das – allgemein betrachtet – durch Interaktion, d. h., indem sie gegenseitig aufeinander einwirken. Die wichtigste Form der Einwirkung auf andere Menschen ist die Kommunikation (vgl. Poole, 2011; Bonaccio, O’Reilly, O’Sullivan & Chiocchio, 2016; Keyton, 2017). Nach der Erläuterung der Abgrenzung der beiden Begriffe und der Veranschaulichung der Bedeutung der sozialen Interaktion an den Beispielen des Ostrazismus und der Diskriminierung werden die wichtigsten Formen der Kommunikation beschrieben. Darauf aufbauend können die beiden grundlegenden und organisationspsychologisch wichtigen Formen der Kommunikation – die interpersonelle und die organisationale Kommunikation – in ihren wesentlichen Merkmalen dargestellt werden (zu einer dritten Variante, die davon ausgeht, dass Organisationen aus Kommunikation und Interaktion bestehen, vgl. Blickle, 2004).
Kapitel 6: Gravitation und organisationale Sozialisation
Welchen Einfluss hat die Organisation auf die Werte, Einstellungen und Orientierungen ihrer Mitglieder? Welchen Einfluss haben die Mitarbeiter auf die Veränderungen in ihrer Organisation? Das sind die zentralen Fragen, die unter den Konzepten Gravitation und Sozialisation verschiedene Wissenschaften – neben der Arbeits- und Organisationspsychologie sind hier u. a. auch die Organisationssoziologie und die Betriebswirtschaftslehre engagiert – untersuchen. Diese werden im Folgenden kurz erläutert und ihr Zusammenwirken am Beispiel einer Längsschnittstudie verdeutlicht. Da der Gravitation zugrunde liegende Prozesse der Selektion an anderer Stelle genauer dargestellt werden (s. Kap. 17), wird anschließend lediglich die Problematik der organisationalen Sozialisation etwas näher beleuchtet.
Kapitel 7: Führung von Mitarbeitern
Führung ist – wenn nicht der wichtigste, so doch – der den Beobachter am stärksten beeindruckende Einflussfaktor auf das Verhalten der Mitarbeiter von Organisationen. Entsprechend intensiv wird dieser Bereich seit Langem aus der Perspektive verschiedener Wissenschaften erforscht (zum Überblick vgl. Avolio, Sosik & Berson, 2013; Yukl, 2013; Weibler, 2016; Braun, Frey, Nübold & Maier, 2017; zur Kritik der häufig anzutreffenden Neigung zur Überhöhung des Forschungsgegenstandes "Führung" vgl. Alvesson, 2017). Im Laufe der Zeit wurde es daher immer schwieriger, die Ergebnisse der Führungsforschung auch nur zu überblicken – geschweige denn, sie theoretisch einzuordnen und ihre praktische Bedeutung angemessen zu werten. Einen anschaulichen Eindruck von dieser Entwicklung vermittelt der knappe Überblick über die Führungsforschung, die in den 100 Jahren seit der Gründung der Zeitschrift im Journal of Applied Psychology publiziert wurde (Lord, Day, Zaccaro, Avolio, & Eagly, 2017). Zum Glück haben die Anwendung metaanalytischer Untersuchungen und verschiedene theoretische Klärungen zentraler Begriff in den letzten Jahren einiges Licht in das Dunkel der Führungsforschung gebracht. Im Folgenden wird ein Einblick in die wichtigsten Entwicklungslinien dieser Forschungsrichtung gegeben. Nach einer knappen Bestimmung des Begriffs Führung und seiner allgemeinen Konsequenz, des Führungserfolges, wird ein Rahmenmodell des Führungsgeschehens skizziert, anschließend werden zentrale Determinanten der Führung von Mitarbeitern etwas genauer beleuchtet. Abschließend erfolgt ein Blick auf die ethische Dimension und einige zu ihrer Erklärung entwickelten Konzepte und Modelle.
Kapitel 8: Teamarbeit
Organisationen lassen sich als soziale Systeme betrachten, die wiederum aus miteinander verzahnten Subsystemen bestehen (s. Kap. 4). Die basalen Formen solcher Subsysteme werden gewöhnlich als Gruppen oder Teams bezeichnet, wobei sich die beiden Begriffe inhaltlich kaum unterscheiden lassen (und deshalb im Folgenden synonym verwendet werden). Die Zusammenarbeit in Gruppen bildet gewissermaßen den "Normalfall" des Verhaltens in Organisationen. Gruppen- bzw. Teamarbeit wurde bislang bevorzugt in der Arbeitspsychologie am Beispiel der Arbeit in der Produktion untersucht (s. Kap. 23). Daneben findet sich auch in der Verwaltung, im Management und in anderen Bereichen zunehmend Gruppenarbeit. In diesen Bereichen dominieren zunächst Entscheidungsgruppen, zu denen alle formalen Gremien zählen, sowie Projekt- und Entwicklungsgruppen, aber auch Arbeitsgruppen, in denen die Mitarbeiter z. B. gemeinsam Dienstleistungen erbringen, werden immer häufiger eingesetzt. Auf diese Formen der Team- oder Gruppenarbeit beschränken sich die folgenden Ausführungen. Zunächst wird etwas genauer untersucht, was überhaupt eine Gruppe ausmacht. Anschließend werden wissenschaftlich belegte Vor- und Nachteile der Arbeit in Teams dargestellt. Einige der möglichen Nachteile lassen sich durch eine sorgfältige Zusammensetzung bzw. durch nachhaltige Entwicklung des Teams vermeiden, daher wird abschließend auf Fragen der gezielten Gestaltung von Teams eingegangen.
Kapitel 9: Konflikte von Organisationen
Konflikte entstehen, wenn Menschen mit gegensätzlichen Überzeugungen oder Interessen aufeinander treffen und sich wenigstens einer der Beteiligten durch diese Gegensätzlichkeit gestört, provoziert oder blockiert fühlt. Der Begrif des sozialen Konflikts umfasst das aversive Erleben von Unvereinbarkeit und alle Aktivitäten der beteiligten Parteien, die sich aus der erlebten Unvereinbarkeit ergeben (De Dreu & Gelfand, 2008; Van de Vliert, 1997). Dieser Begrif stellt das subjektive Erleben, nicht aber das offene Verhalten in den Mittelpunkt. So ist es möglich, unterschiedliche Formen der Konfliktaustragung oder Konfliktbewältigung zu betrachten – z. B. Konfrontation, Rückzug und Vermeidung, konstruktives Problemlösen – und hinsichtlich ihrer Entstehungs- bzw. Verlaufsbedingungen und Auswirkungen zu vergleichen. Nicht immer werden Konflikte offen und feindselig ausgetragen. De Dreu (2011) hebt den Aspekt der Deprivation hervor: Konflikten liegt das Erleben von Verlust oder Entbehrung zugrunde – eine wichtige Ressource (Geld, Güter, Status, Einfluss, Respekt etc.) geht verloren oder wird vorenthalten. Für den Verlust bzw. die Entbehrung wird eine andere Partei, der Konfliktgegner, verantwortlich gemacht. Raver und Barling (2008) grenzen den Konfliktbegriff gegen andere Konzepte ab, die sich auf destruktives Verhalten in Organisationen beziehen (kontraproduktives und deviantes Verhalten, Aggression am Arbeitsplatz etc.). Im Gegensatz zu diesen beinhaltet der Konfliktbegrif weder notwendig die Absicht eines Beteiligten, andere zu schädigen, noch notwendig das Eintreten negativer Wirkungen (als Folgen des Konflikts). Beides kann bei Konflikten eine Rolle spielen, gehört aber nicht zum konzeptuellen Kern des Begriff. Im Arbeits- und Organisationsleben sind Konflikte alltäglich. Die Unterschiedlichkeit der Temperamente, Überzeugungen, Kompetenzen usw. führt in Verbindung mit der Notwendigkeit, zu kooperieren, sich abzustimmen und gemeinsam Entscheidungen zu treffen, ganz notwendig zu Spannungen (Jaffe, 2008). Der gleichzeitige Wettbewerb um Anerkennung, Vergütung, Positionen etc. verschärft die Situation und lässt Spannungen zu manifesten Konflikten eskalieren. Van de Vliert und Janssen (2001) unterscheiden drei wissenschaftliche Perspektiven auf soziale Konflikte: Deskriptive Ansätze versuchen, ihre Erscheinungsformen systematisierend zu beschreiben. Erklärende Ansätze untersuchen die Entstehungs- und Verlaufsbedingungen und ferner die Auswirkungen sozialer Konflikte. Ihr Ziel besteht darin, die Zusammenhänge zwischen Antezedenzbedingungen, Konfliktverhalten und Konfliktfolgen zu erklären. Präskriptive Ansätze geben Handlungsempfehlungen zur Konfliktvermeidung und -beilegung. Im Sinne dieser Gliederung werden zunächst Ansätze erörtert, deren Ziel darin besteht, Konflikte beschreibend zu klassifizieren. Anschließend werden Theorien des Konfliktverlaufs sowie ein Forschungsansatz vorgestellt, der die Auswirkungen von Konflikten in Arbeitsgruppen untersucht. Stellvertretend für die präskriptiven Ansätze folgt schließlich ein Abschnitt zu integrativen und distributiven Techniken des Verhandelns. Verhandeln ist die am besten untersuchte Form der Konfliktbewältigung.
Kapitel 10: Organisationsdiagnose
Gegenstand der Organisationspsychologie ist das menschliche Erleben und Verhalten in Organisationen. Da menschliches Erleben und Verhalten immer auch von der Umwelt des Menschen, d. h. im hier interessierenden Fall von den Merkmalen einer bestimmten Organisation beeinflusst wird, sollte diese bei der Beschreibung und Erklärung des Verhaltens der Mitarbeiter berücksichtigt werden. Zu diesem Zweck muss die Wissenschaft zum einen über theoretische Modelle der Organisation (s. Kap. 4), zum anderen über eine Methodologie zur Diagnose unterschiedlicher Merkmale konkreter Organisationen verfügen. Aufgrund dieser allgemeinen Überlegungen sollte man meinen, dass der Organisationsdiagnose eine zentrale Bedeutung in der Organisationspsychologie zukommt. Tatsächlich hat aber das Feld im Vergleich zur Personendiagnostik (s. Kap. 17) bislang nur relativ wenig Beachtung in der psychologisch orientierten Wissenschaft gefunden. Das mag daran liegen, dass andere Wissenschaften, vor allem die Betriebswirtschaftslehre und die Organisationssoziologie die Diagnose oder – wie es in diesen Wissenschaften gewöhnlich heißt – die Analyse von Organisationen als eine ihrer genuinen Aufgaben verstehen. Die dabei entwickelten Modelle und Methoden der Organisationsdiagnose entsprechen aber in der Regel nicht den spezifischen Anforderungen der Arbeits- und Organisationspsychologie. Daher werden im Folgenden kurz die wichtigsten Aspekte einer psychologisch orientierten Organisationsdiagnose dargestellt (vgl. zum Folgenden auch Bornewasser, 2009; Felfe, 2014; Sonntag, Stegmaier & Schaper, 2016).
Kapitel 11: Organisationsklima und Organisationskultur
Begriff wie Betriebs- oder Arbeitsklima sind in der Praxis weitverbreitet. In Stellenanzeigen wird häufig mit dem guten Betriebsklima geworben, und triff man einen ehemaligen Arbeitskollegen, so wird eine der ersten Fragen lauten, wie denn das Klima im neuen Betrieb sei (Schramm, 2017). Was aber ist unter dem Begrif Klima in diesem Zusammenhang genau zu verstehen? Wie lässt sich dieser Begriff von einem anderen Begriff der in den letzten Jahren immer häufiger verwendet wird – dem der Organisationskultur – abgrenzen? Und wozu sind diese Begriff überhaupt gut?
Kapitel 12: Organisationsentwicklung
"Das einzige, was sich nicht ändert, ist, dass sich ständig alles ändert!" – so lautet ein in vielen Unternehmen verbreitetes Bonmot. Insofern wäre der ständige Wandel von Organisationen gewissermaßen ein Teil ihrer "Natur", die zu erklären wiederum eher ein philosophisches Problem darstellen würde. Die Arbeits- und Organisationspsychologie kann sich dagegen nur mit bestimmten Arten des Wandels auseinandersetzen – den Versuchen, eine Änderung der Organisation gezielt herbeizuführen, gilt dabei ihr besonderes Interesse. Solche Versuche tragen viele Namen, am bekanntesten ist in der Psychologie wohl der Begrif "Organisationsentwicklung". Das damit Gemeinte und einige damit verwandte Themen wie die sog. "lernende Organisation" und die vielfältigen Ansätze zur Gestaltung von Innovationen werden im Folgenden etwas genauer beleuchtet.
Kapitel 13: Mergers & Acquisitions: Fusionen und Unternehmensübernahmen
Als Daimler-Benz im Jahre 1998 mit der amerikanischen Firma Chrysler fusionierte, sprach Jürgen Schrempp, damals Vorstandsvorsitzender der Daimler-Benz AG, von einer "Hochzeit im Himmel". Neun Jahre später wurde Chrysler, nachdem die Stuttgarter ursprünglich rund 35 Mrd. € dafür bezahlt hatten, praktisch verschenkt: Nur um das Unternehmen loszuwerden, zahlte das mittlerweile in Daimler umfirmierte Unternehmen einem amerikanischen Finanzinvestor sogar noch 500 Mio. € dafür, dass dieser Chrysler übernahm. Das ist ein besonders spektakuläres Beispiel für das Feld der Fusionen und Unternehmensübernahmen, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten zunehmend ins Bewusstsein der Bevölkerung getreten sind. Im Zentrum solcher Ereignisse stehen die Mitarbeiter der betroffenen Unternehmen – zum einen sind sie die "Opfer", da sie die damit verbundenen Änderungen und Umstrukturierungen ertragen müssen; zum anderen entscheiden ihre Einstellungen und vor allem ihr Verhalten über das Gelingen von Fusionen und Unternehmensübernahmen: Nur wenn sie die vom jeweiligen Management und seinen Beratern vorab am Schreibtisch ausgedachten Strategien adäquat in die Realität umsetzen, können die erhofften Erfolge eintreten (Mirc, 2013). Das ist aber allzu häufig nicht der Fall, was zeigt, dass die arbeits- und organisationspsychologischen Bedingungen und Folgen von Fusionen und Unternehmensübernahmen von den jeweiligen Entscheidungsträgern immer noch zu wenig bedacht werden.
Kapitel 14: Berufswahl und berufliche Entwicklung
"Das Wichtigste im Leben ist die Wahl des Berufes. Der Zufall entscheidet darüber." (Blaise Plascal).
"Der Beruf ist das Rückgrat des Lebens und seine Wahl die wichtigste Entscheidung, die der Mensch treffen muss." (Friedrich Nietzsche).
Trotz des Wandels der Arbeitswelt nimmt die Erwerbsarbeit und der Beruf immer noch eine zentrale Stellung im Leben vieler Menschen ein (s. Digitale Tagelöhner). Im Folgenden sollen die psychologischen Hintergründe der Berufsfindung und der beruflichen Entwicklung angesichts des aktuellen Wandels der Arbeitswelt aus der Perspektive der Erwerbstätigen dargestellt werden. In Abschn. 14.1 werden die Begriffe Job und Beruf einander gegenübergestellt und die generelle Bedeutung der Erwerbsarbeit für die psychische Gesundheit erläutert. Es entspricht den gängigen Alltagsvorstellungen in einer Leistungsgesellschaft, dass jede Person selbst der Schmied ihres beruflichen Glückes sei. Dass dem nicht ganz so sein könnte, darauf hat schon der Philosoph und Mathematiker Blaise Pascal (1623–1662) hingewiesen. Was subjektiv als freie Wahl erscheint, wird durch den Zufall der Geburt in eine bestimmte Familie und ihr soziales Umfeld sehr stark mitgeprägt. Deshalb wird in Abschn. 14.2 die Bedeutung der sozialen Schichtzugehörigkeit des Elternhauses für den späteren Berufserfolg am Beispiel der Ergebnisse der PISA-Studien behandelt. Auch aus psychologischer Sicht beginnt die berufliche Entwicklung schon lange vor dem Eintritt ins Erwerbsleben. Zwischen dem 4. und 13. Lebensjahr werden die Grundlagen für die berufliche Planungs- und Entscheidungskompetenz gelegt. Jugendliche müssen dann ein Selbstkonzept bezüglich ihrer Bedürfnisse und Kompetenzen entwickeln und dieses in Beziehung zu den Gegebenheiten der Berufswelt setzen. Diese Wachstums- und Explorationsphasen der beruflichen Entwicklung werden in Abschn. 14.3 dargestellt. Der Prozess der Berufsfindung in normativer und deskriptiver Hinsicht ist dann Gegenstand von Abschn. 14.4. Die normative Frage betrifft das Problem, wie die Berufswahl eigentlich stattfinden sollte. Was sollten die jungen Erwachsenen dabei beachten und was sollte man ihnen – z. B. in der Berufsberatung – empfehlen? Die deskriptive Frage betrifft den Sachverhalt, wie sich die Berufsfindung tatsächlich vollzieht und welche Rolle dabei die berufssuchende Person spielt. Für die berufliche Etablierung (s. Abschn. 14.5) und den langfristigen Erfolg hat die Forschung wichtige funktionale und dysfunktionale Einflussfaktoren identifizieren können, wie z. B. Networking, kognitive Intelligenz und Ehrgeiz, aber auch physische Attraktivität und Übergewicht. Die Konzepte sowie die Problematik der be- und entgrenzten Karriere sowie des alten und neuen psychologischen Kontraktes (s. Abschn. 14.6) werden vorgestellt. Es handelt sich um das proteanische Laufbahnmodell, das Konzept der entgrenzten Laufbahn sowie das Employability-Konstrukt. Dann (s. Abschn. 14.7) wird kurz auf die Perspektiven aufgrund des demografischen Wandels in Deutschland eingegangen: Das schrumpfende Arbeitskräfteangebot, die immer älteren Arbeitsanbieter und die erhöhten Qualifikationsanforderungen verlangen nach einer Erhöhung der Erwerbstätigenquoten von Frauen und Älteren. Zum Abschluss werden die Konsequenzen der weltweit fortschreitenden Digitalisierung auch für das Wegfallen beruflicher Nicht-Routine-Tätigkeiten behandelt. Es gibt Schätzungen, wonach ca. 47 % der gesamten beruflichen Tätigkeiten in der US-amerikanischen Volkswirtschaft in naher Zukunft durch intelligente Maschinen ersetzt werden (Frey & Osborne, 2017). Kholin und Blickle (2015) fassen wichtige Entwicklungen der Globalisierung wie folgt zusammen: Die Wertschätzung von Säkularisierung und Selbstverwirklichung – also eher westliche und postmaterialistische Werte – ist weltweit angestiegen. Durch die wirtschaftliche Globalisierung hat die westliche Welt ihre Werte und Vorstellungen von Erwerbsarbeit gemeinsam mit einigen ihrer wirtschaftlichen Prinzipien (vor allem das kapitalistische Wirtschaftssystem) exportiert. Im Gegenzug werden fernöstliche Konzepte wie Meditation, Yoga oder Achtsamkeit im Westen immer beliebter, sowohl in der Selbsthilfe- und Selbstoptimierungsliteratur als auch bei betrieblichen und staatlichen Gesundheitsvorsorgemaßnahmen. Von einer globalen Angleichung und generellen Verwestlichung kann jedoch nicht die Rede sein. Die Arbeitswerte in den nicht westlichen Ländern haben sich zwar durch die wirtschaftliche Globalisierung verändert, das kulturelle Erbe der jeweiligen Gesellschaft nimmt jedoch weiterhin großen Einfluss auf die lokalen Arbeitswerte (Kühnhardt & Mayer, 2017).
Kapitel 15: Anforderungsanalyse
Im Mittelpunkt der psychologischen Anforderungsanalyse steht die Frage, mithilfe welcher Merkmale Personen beschreibbar sind, die sich in einer bestimmten Stelle, einer bestimmten Tätigkeit, einem bestimmten Beruf oder einer bestimmten beruflichen Laufbahn bewähren und dort erfolgreich tätig sind. Im Folgenden soll dargestellt werden,
- wozu Anforderungsanalysen in der Personalpsychologie benötigt werden,
- welche Art von Personenmerkmalen für die Anforderungsanalyse relevant sein können,
- warum überhaupt eine systematische und professionelle Anforderungsanalyse vorgenommen werden sollte und
- welche Methoden und Verfahren der Anforderungsbestimmung es gibt.
Zum Abschluss erfolgen eine Einordnung der unterschiedlichen Aspekte sowie ein Ausblick zum Stellenwert von Anforderungsanalysen angesichts der zu erwartenden Entwicklungen im Arbeitsleben.
Kapitel 16: Personalmarketing
Die Personalarbeit in einer Organisation sollte eng auf die langfristigen Ziele der Organisation abgestimmt sein. Solche Ziele können z. B. das Erreichen einer bestimmten Eigenkapitalrendite, die Ausrichtung der Organisation auf bestimmte Kernprodukte, die Sicherstellung eines bestimmten Qualitätsniveaus der Produkte oder die Präsenz im asiatischen und nordamerikanischen Markt sein. Die Personalplanung soll dazu beitragen, dass diese Ziele erreicht werden können. Dazu müssen im Rahmen der Personalplanung z. B. folgende Fragen beantwortet werden: Innerhalb welches Zeitraumes (dies betriff die Altersstruktur der Organisation) werden wie viele Mitarbeiter mit welchen Qualifikationen (dies betriff die Qualifikationsstruktur der Mitarbeiter der Organisation) für welche Art von Stellen (Leitungspositionen, Fachpositionen, ausführende Tätigkeiten) benötigt, um diese Ziele zu erreichen? Die Personalplanung muss sich aber auch der Frage stellen, wie das Überleben und die Leistungsfähigkeit der Organisation sichergestellt werden können, wenn die Prognosen versagen, weil unvorhergesehene Entwicklungen und Veränderungen der Umwelt eintreten. Im Folgenden soll zunächst in Abschn. 16.1 erläutert werden, was das Konzept Personalmarketing bedeutet. Dann wird in Abschn. 16.2 ein kurzer Überblick über die einschlägigen Grundlagen gegeben. Dazu werden zuerst die Begriffe Basisrate, Selektionsrate und Validität im Rahmen der Personalauswahl erläutert. Dann wird das Problem der Intransparenz sowohl aus Sicht der Stellensuchenden als auch aus Sicht der Organisation verdeutlicht. Ferner wird das Konzept des sog. psychologischen Kontraktes vorgestellt. In Abschn. 16.3 werden wichtige empirische Befunde aus dem Bereich der Personalansprache und Personalbindung vorgestellt. In Abschn. 16.4 wird auf grundlegende Strategien des Personalmarketing (Talentmanagement, Einbindung von Star Performern, und Homogenisierung der Führungskräfte) eingegangen.
Kapitel 17: Personalauswahl
Die psychologisch fundierte Personalauswahl gehört zu den Kernbereichen der Personalpsychologie. Sie kann auf eine fast 100-jährige Forschungstradition zurückblicken (s. Kap. 2). Das Problem der Personalauswahl selbst stellt sich von alters her für jede Organisation (s. Biologische Grundlagen und historische Beispiele der Personalauswahl). Im Folgenden (s. Abschn. 17.1) soll zunächst der Unterschied zwischen der Personalselektion und anderen personalpsychologischen Vorgehensweisen (Beratung, Platzierung) verdeutlicht und daran anschließend aufgezeigt werden, was das Ziel der Personalselektion darstellt, nämlich eine hohe Passung zwischen Bewerbern einerseits und Position und Organisation andererseits zu erreichen. Dann werden die wichtigsten Verfahren (s. Abschn. 17.2) und Gütekriterien (s. Abschn. 17.3) zur Entwicklung und Auswahl von Personalauswahlinstrumenten vorgestellt. In Abschn. 17.4 soll dann dargelegt werden, was den Kern der psychologischen Personalauswahl ausmacht, nämlich die systematische, empirische Gültigkeitsüberprüfung. Dabei sind nicht die Erfolge im Einzelfall entscheidend, sondern der wiederholbare Erfolg in großem Umfang und die langfristige Bewährung. In Abschn. 17.5 soll verdeutlicht werden, dass zur erfolgreichen Personalauswahl stets mehrere Verfahren eingesetzt werden sollten, und es wird aufgezeigt, wie sie miteinander kombiniert werden können. Wie bei jeder Art von Personalauswahl sind auch bei der psychologisch gestützten Personalauswahl Fehlentscheidungen unvermeidlich. In Abschn. 17.6 wird deshalb ausgeführt, von welchen Faktoren die Anzahl falscher und richtiger Entscheidungen abhängt, welche Arten von Fehlentscheidungen auftreten können und wie solche Fehlentscheidungen, die für Organisationen besonders relevant sind, minimiert werden können. Im Anschluss daran werden in Abschn. 17.7 die Faktoren erläutert, die den wirtschaftlichen Nutzen des Einsatzes psychologischer Auswahlverfahren für Organisationen entscheidend beeinflussen. Abschließend werden im Überblick die ethischen und rechtlichen Rahmenbedingungen der Personalauswahl durch Organisationen behandelt.
Kapitel 18: Leistungsbeurteilung
Nicht nur Schüler und Studierende, sondern auch Mitarbeiter und Führungskräfte werden laufend in Bezug auf ihre Leistungen beurteilt (s. Abb. 18.1). Der erste Abschnitt dieses Kapitels widmet sich der Frage, worin die Unterschiede zwischen einer Leistungsbeurteilung und einer Mitarbeiterbeurteilung liegen und worin sich beide von einer beruflichen Leistungsbeurteilung unterscheiden. Im darauf folgenden Abschnitt soll verdeutlicht werden, warum tätigkeitsbezogene Leistungsbeurteilungen Verhaltens- und nicht Ergebnisbeurteilungen sein sollten. Danach wird ein kurzer Überblick über die unterschiedlichen Aspekte tätigkeitsbezogener Leistungen gegeben. Im Anschluss werden verschiedene Beurteilungsverfahren vorgestellt, u. a. die freie Eindrucksschilderung sowie Rangordnungs- und Einstufungsverfahren. Abschließend werden Urteilstendenzen sowie wichtige Anlässe für und Ebenen der Leistungsbeurteilung dargestellt, nämlich tägliche Rückmeldungen am Arbeitsplatz, Regelbeurteilungen sowie Leistungsbeurteilungen als Elemente der Potenzialbeurteilung.
Kapitel 19: Personalentwicklung
In vielen mittelständischen Unternehmen beschränken sich die Aufgaben der Personalabteilung immer noch auf die Abwicklung der Einstellung und Entlassung von Mitarbeitern sowie auf die Berechnung von Lohn, Gehalt und Urlaubsansprüchen. Eine gezielte Nachfolgeplanung für ausscheidende Mitarbeiter und Führungskräfte findet oft nicht statt. Deswegen taucht dann häufig, scheinbar unvermittelt, das Problem auf, sehr schnell eine Person finden zu müssen, die aufgrund ihrer fachlichen Kompetenz und Persönlichkeit in der Lage wäre, die frei werdende Position erfolgreich auszufüllen. Aber selbst wenn es gelänge, am externen Arbeitsmarkt eine solche Person für das Unternehmen zu interessieren, bleibt immer noch das Problem, dass der externe Aspirant mit den Sachproblemen vor Ort, den dort handelnden Personen und der Unternehmenskultur nicht vertraut ist. Andererseits gibt es möglicherweise eine Reihe von Personen, die schon viele Jahre im Betrieb tätig sind, die die betrieblichen Abläufe und die Mitarbeiter kennen, ihre Aufgaben bisher gut und zuverlässig erfüllt haben, aber fachlich auf die Übernahme der anspruchsvolleren Aufgaben nicht vorbereitet sind und auch über keinerlei Führungserfahrung verfügen. Derartige Engpässe entstehen jedoch nicht unvermittelt, sondern sind das Resultat fehlender Personalentwicklung. Denn die Besetzung von Stellen muss durch die Personalentwicklung und Laufbahnplanung langfristig vorbereitet werden. Oft fehlen in den Betrieben systematische Laufbahnkonzepte, Förderprogramme und Entwicklungspläne, die sicherstellen, dass Mitarbeiter und Führungskräfte zum richtigen Zeitpunkt mit den erforderlichen Qualifikationen dem Betrieb zur Verfügung stehen. Personalentwicklung ist aber auch dort notwendig, wo sich ein Unternehmen für eine neue Marktstrategie entscheidet, z. B. die Entscheidung, eine eigene Produktion in Osteuropa oder Südostasien aufzubauen. Mitarbeiter und Führungskräfte müssen dann auf diese Auslandsentsendung vorbereitet werden. Dazu gehört u. a. die Sicherstellung von Sprach- und Rechtskenntnissen im Gastland, die Vorbereitung auf dessen Kultur, die jeweilige Arbeitsmentalität usw. Wieder geht es darum, durch gezielte Maßnahmen der Personalentwicklung im Vorfeld sicherzustellen, dass die Mitarbeiter – und zwar auf allen Hierarchieebenen – für ihre zukünftigen Aufgaben qualifiziert sind. Aber auch um die bestehende Marktposition halten zu können, sind für ein Unternehmen Personalentwicklungsmaßnahmen erforderlich, z. B. dann, wenn es darum geht, neue Technologien in der eigenen Produktion einzusetzen und die Qualifikationen der Mitarbeiter und Führungskräfte an die veränderten Anforderungen anzupassen. Im Folgenden soll dargestellt werden, was unter dem Konzept der Personalentwicklung zu verstehen ist. Dazu werden die Bezüge zur Unternehmensplanung und Laufbahnplanung aufgezeigt. Dem schließt sich eine Darstellung des Vorgehens bei Potenzialanalysen sowie bei der Diagnose des individuellen Personalentwicklungsbedarfs an. Breiten Raum nimmt dann die Darstellung möglicher Personalentwicklungsmaßnahmen ein. Die Themen Transfersicherung und Evaluation werden schwerpunktmäßig im Kapitel zur Trainingsforschung (s. Kap. 26) abgehandelt.
Kapitel 20: Theoretische Modelle des Arbeitshandelns
Gegenstand dieses Kapitels sind Theorien des Arbeitshandelns. Mithilfe solcher Theorien soll unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten Arbeitsverhalten bzw. -handeln beschrieben, erklärt und vorhergesagt werden. Unter eher praktischen bzw. anwendungsbezogenen Aspekten sollten gemäß Hacker (2005) solche Theorien auch in der Lage sein, zum einen Erkenntnisse zur Verbesserung von Arbeitsaufgaben und ihren Ausführungsbedingungen zu liefern, zum anderen Erkenntnisse zur Verbesserung von Leistungsvoraussetzungen arbeitender Menschen abzuleiten. Im Verlauf der historischen Entwicklung der Arbeits- und Organisationspsychologie wurden – auch unter dem Einfluss jeweils dominierender disziplinärer und zeitgeschichtlicher Theorieströmungen – ganz unterschiedliche theoretische Ansätze zur Beschreibung, Erklärung und Vorhersage von Arbeitsverhalten bzw. -handeln entwickelt. Im Rahmen dieses Lehrbuches können daher nur Schlaglichter auf diese Entwicklung geworfen werden. Im Folgenden werden vier bedeutsame theoretische Ansätze des Arbeitshandelns betrachtet und vorgestellt: Verhaltens- und lerntheoretische Ansätze, kognitionspsychologische Ansätze sowie handlungs- und tätigkeitstheoretische Ansätze. Dabei sollen folgende Fragen beantwortet werden: Auf welchen Grundannahmen beruht der jeweilige Ansatz? Welche grundlegenden Erklärungskonzepte wurden jeweils zur Beschreibung und Erklärung von Arbeitsverhalten entwickelt? Welche Anwendungsbezüge und praktischen Konzepte ergeben sich aus diesen Theorien?
Kapitel 21: Arbeitsanalyse und -bewertung
Die Durchführung von Arbeitsanalysen und -bewertungen gehört zu den zentralen Aufgabenbereichen und Forschungsgegenständen der Arbeits- und Organisationspsychologie, da die Konzeption und Planung von Maßnahmen zur Verbesserung und Neugestaltung von Arbeitsaufgaben und -bedingungen in der Regel eine sorgfältige Analyse der Arbeitssituation und -anforderungen sowie der organisationalen Rahmenbedingungen und personalen Voraussetzungen an den betroffenen Arbeitsplätzen erfordert. Hierfür stehen mittlerweile ein breites Wissen über grundlegende Anwendungskonzepte und -fragen der Arbeitsanalyse und -bewertung sowie eine Vielzahl von konkreten methodischen Verfahren zur Verfügung. Im Folgenden wird ein Überblick zu Fragestellungen und Aspekten gegeben, die bei der Planung von Arbeitsanalysen sowie der Auswahl entsprechender Verfahren zu berücksichtigen sind. Zunächst ist von entscheidender Bedeutung, welche Ziele mit einer Arbeitsanalyse verfolgt werden (z. B. Arbeitsgestaltung oder Qualifizierung von Mitarbeitern; s. Abschn. 21.2), da je nach Zielsetzung unterschiedliche Vorgehensweisen und Verfahren infrage kommen. Den Arbeitsanalyseverfahren liegen außerdem verschiedene theoretische Fundierungen (s. Abschn. 21.3) zugrunde, die Richtungen vorgeben, auf welche Analyseebene (z. B. Organisationseinheit, Arbeitsgruppe, Arbeitstätigkeit, Arbeitsaufgabe, Arbeitsverrichtung) sich diese beziehen sollte, welche inhaltlichen Aspekte einer Tätigkeit erfasst und welche Schwerpunkte bei der Dateninterpretation gesetzt werden sollten. Es existieren darüber hinaus unterschiedliche methodische Zugänge der Arbeitsanalyse (s. Abschn. 21.4; z. B. Beobachtung und Befragung), spezifische Verfahren (s. Abschn. 21.5), Kriterien zur Arbeitsbewertung (s. Abschn. 21.6), Durchführungsbedingungen (s. Abschn. 21.7) und Gütekriterien (s. Abschn. 21.8), die es bei der Planung von Arbeitsanalysen zu beachten gilt. Nicht zuletzt ist bei der Konzeption von Arbeitsanalysen der Anwendungskontext zu berücksichtigen, da je nach Branche (z. B. Industrie, Verwaltung), Berufsgruppe (z. B. Führungsebene) oder Tätigkeitsklasse (z. B. Montage- und Verwaltungstätigkeiten) unterschiedliche Verfahren geeignet sind (Dunckel, Zapf & Udris, 1991). Bevor diese Fragen jedoch behandelt werden, wird eine Definition und Einordnung von Arbeitsanalysen vorgenommen.
Kapitel 22: Arbeitsgestalung und Produktion und Verwaltung
Historisch gesehen beschäftigt sich die Arbeitspsychologie schon seit ihrem Bestehen immer wieder mit Forderungen zur Gestaltung besserer Arbeitsbedingungen. Daher wurde bereits in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts eine Reihe wichtiger Konzepte einer psychologisch orientierten Arbeitsgestaltung entwickelt (z. B. das Konzept vollständiger Aufgaben durch Hellpach, 1922; vgl. hierzu Ulich, 2004). Aber erst in den 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts rückten in Deutschland – insbesondere mit dem Programm zur Humanisierung des Arbeitslebens – psychologische Aspekte der Arbeitsgestaltung ins Zentrum der Betrachtung; d. h., es wurden Ansätze und Maßnahmen entwickelt mit dem Ziel, die gestaltbaren Bedingungen von Arbeit so zu verändern und zu verbessern, dass auch das Wohlbefinden und die persönliche Weiterentwicklung des arbeitenden Menschen Berücksichtigung fanden. Demnach ist psychologische Arbeitsgestaltung in hohem Maße mit dem Ziel verknüpft, Arbeit nicht nur effizient, sondern auch „menschengerecht“ zu gestalten. In diesem Kapitel können die relevanten Gestaltungsaspekte von Arbeit aufgrund ihrer Spezifität und ihres Umfangs allerdings nur in Ansätzen behandelt werden (s. hierzu z. B. Ulich, 2005). In erster Linie wird auf folgende Fragen Bezug genommen: Welche Ziele und theoretischen Annahmen werden mit der Gestaltung von Arbeit verknüpft? Welche Ansätze und vorbildlichen Beispiele existieren in der Praxis zur Arbeitsgestaltung? Welche empirischen Befunde liegen zur Wirkung von Gestaltungsmaßnahmen vor? Im ersten Abschnitt werden zunächst die Zielsetzungen beschrieben, die bei der Gestaltung von Arbeit im Vordergrund stehen. Der zweite Abschnitt behandelt verschiedene theoretische Konzepte der Arbeitsgestaltung, und im dritten Abschnitt werden grundlegende Strategien der Arbeitsgestaltung vorgestellt. Im vierten Abschnitt werden sodann zwei Praxisbeispiele einer vorbildlichen Arbeitsgestaltung beschrieben, die in einem Produktions- und in einem Dienstleistungsunternehmen implementiert wurden. Schließlich werden Befunde diskutiert, welche Wirkungen mit verschiedenen Bedingungen der Arbeitsgestaltung verbunden sind.
Kapitel 23: Gruppenarbeit in der Produktion
Gruppenarbeit wird von vielen Unternehmen als entscheidender Erfolgsfaktor für die eigene wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit unter den heutigen Produktions- und Marktbedingungen angesehen. Spätestens seit der stark beachteten MIT-Studie von Womack, Jones und Roos (1991), die eine Überlegenheit japanischer Produktionskonzepte nahelegte, in denen eine bestimmte Art der Gruppenarbeit ein zentrales Element darstellt, ist diese Form der Arbeitsorganisation aus vielen Unternehmen nicht mehr wegzudenken. Gruppenarbeit ist aber auch eine Form der Arbeitsorganisation, die Potenziale für eine nach humanen Kriterien günstige Arbeitsgestaltung aufweist, da sie bei guter Gestaltung durch anspruchsvolle Aufgaben, hohe Kommunikations- und Kooperationsanforderungen sowie soziale Unterstützungsressourcen geprägt ist. Für die Arbeits- und Organisationspsychologie ergibt sich somit in Bezug auf die Analyse, Gestaltung und Evaluation von Gruppenarbeitskonzepten ein lohnendes und breites Betätigungsfeld. Im folgenden Kapitel soll erläutert werden, wie sich die Beschäftigung mit Gruppenarbeitskonzepten historisch entwickelt hat, durch welche Merkmale Gruppenarbeit bzw. Arbeitsgruppen gekennzeichnet sind, welche Formen der Gruppenarbeit zu unterscheiden sind, welche Gestaltungsprinzipien und -bedingungen bei der Realisierung einzelner Gruppenarbeitsformen zu beachten sind, wie sich diese unter ökonomischen und psychologischen Kriterien bewährt haben und welche Einflussfaktoren die Effektivität von Gruppenleistungen und -prozessen mitbestimmen. Zur Einstimmung in Bedingungen und Anforderungen bei der Implementierung eines Gruppenarbeitskonzepts in einem Betrieb wird im Kasten "Einführung teilautonomer Gruppenarbeit in einem Produktionsunternehmen" ein entsprechendes Vorgehensbeispiel in Anlehnung an einen realen Fall beschrieben.
Kapitel 24: Arbeitsmotivation und Arbeitszufriedenheit
Motivation gibt Antwort auf die Frage nach dem "Warum" bzw. dem "Wozu" menschlichen Verhaltens, d. h., es werden damit die Ursachen bzw. die Ziele des Verhaltens erklärt. Mit dem Konzept der Motivation kann allerdings nicht Verhalten schlechthin erklärt werden – Verhalten ist das zentrale Merkmal des Lebens, das erst mit dem Tod endet –, vielmehr wird damit wissenschaftlich die Richtung, Intensität und Ausdauer menschlichen Verhaltens erklärt (Thomae, 1965; vgl. zum Folgenden Nerdinger, 2013):
- Richtung bezeichnet die Entscheidung für ein bestimmtes Verhalten: Warum entscheidet sich z. B. ein Bewerber, der zwei Stellenangebote hat, für das eine Angebot und lehnt das andere ab?
- Intensität betrifft die in das Verhalten investierte Energie: Warum setzt sich ein Mitarbeiter mit voller Kraft für seine Aufgabe ein, während ein anderer eher lustlos arbeitet?
- Ausdauer beschreibt die Hartnäckigkeit, mit der ein Ziel angesichts von Widerständen verfolgt wird: Warum lässt sich der eine Mitarbeiter durch kein Hindernis von seinem Weg abbringen, während ein anderer bei der ersten Schwierigkeit resigniert?
Motivation gibt demnach nicht zuletzt Antwort auf die aus Sicht der Organisation entscheidende Frage nach den Ursachen für den Einsatz und die Leistung der Mitarbeiter (s. Kap. 25). Um diese Antwort zu verstehen, müssen zunächst die grundlegenden Konzepte "Motiv", "Anreiz" und "Motivation" geklärt werden. Anschließend wird die Arbeitszufriedenheit als Ziel und als Teil der Motivation erläutert. Schließlich werden wichtige Ansätze zur Erklärung der Motivation vorgestellt, wobei zwischen Inhalts- und Prozesstheorien der Motivation unterschieden wird (einen knappen Überblick über die Entwicklung der Motivationsforschung geben Kanfer, Frese & Johnson, 2017).
Kapitel 25: Formen des Arbeitsverhaltens
Arbeitsverhalten ist ein Schlüsselbegriff der Arbeits- und Organisationspsychologie – methodisch betrachtet ist das Verhalten in der Arbeit die wichtigste abhängige Variable, die es zu erklären und deren künftige Ausprägungen es zu prognostizieren gilt. Der Grund dafür liegt natürlich in der Bedeutung des Arbeitsverhaltens für die ganze Organisation: Unternehmen brauchen Mitarbeiter, die ein optimales Arbeitsverhalten zeigen, um ihre Ziele zu erreichen, die für ihr Überleben notwendigen Produkte und Dienstleistungen herzustellen, die notwendigen Innovationen zu realisieren und dabei möglichst Wettbewerbsvorteile zu erringen. Dies zeigt bereits, dass gewöhnlich bei dem Begriff Arbeitsverhalten spontan an die Leistung der Mitarbeiter gedacht wird. Interpretiert man aber den Begriff allgemeiner im Sinne des Verhaltens in der Arbeit, zeigt sich schnell, dass zum Arbeitsverhalten sehr viel mehr zählt als "nur" die Bewältigung der zugewiesenen Aufgaben und die dabei erzielte Leistung (vgl. Campbell & Wiernik, 2015). Offensichtlich ist Arbeitsverhalten ein mehrdimensionales Konzept, das im Folgenden etwas aufgeschlüsselt wird.
Kapitel 26: Aus- und Weiterbildung: Konzepte der Trainingsforschung
Psychologische Aspekte der Aus- und Weiterbildung sind Forschungsgegenstand und Praxisfeld der Arbeits- und Organisationspsychologie. Im Zentrum steht dabei die Analyse, Planung, Gestaltung und Evaluation von Lernprozessen, die auf den Erwerb beruflicher Kenntnisse und Fähigkeiten bzw. Kompetenzen gerichtet sind. Im angloamerikanischen Bereich spricht man auch von Training und der darauf bezogenen Trainingsforschung. Enge Verknüpfungen bestehen in diesem Zusammenhang auch mit dem Begrif der Personalentwicklung (s. Kap. 19). Das Kapitel gibt einen Überblick zu Zielsetzungen, lerntheoretischen Grundlagen, spezifischen Formen der Aus- und Weiterbildung, personalen und organisationalen Einflussfaktoren sowie Evaluationszielen und -kriterien beruflicher Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen. Dabei sollen folgende Fragen beantwortet werden: Was sind Ziele und Inhalte beruflicher Aus- und Weiterbildung? Wie bestimmt man die Inhalte und Ziele beruflicher Trainings? Welche Lerntheorien werden zur Gestaltung beruflicher Aus- und Weiterbildungsprozesse herangezogen? Welche spezifischen Methoden werden im Rahmen beruflicher Trainings verwendet und wie haben sie sich bewährt? Durch welche individuellen Merkmale der Lernenden und organisationalen Rahmenfaktoren wird der Erfolg von Trainingsmaßnahmen zusätzlich beeinflusst? Wodurch wird der Lerntransfer von beruflichen Trainings bestimmt und was kann man zur Transfersicherung tun? Was ist bei der Evaluation beruflicher Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen zu beachten und welche Kriterien können hierzu herangezogen werden? Der Kasten "Implementation arbeitsintegrierter Lernumgebungen für die Berufsausbildung" (vgl. Schaper, 2004a; Sonntag & Stegmaier, 2007a) verdeutlicht an einem konkreten Beispiel, vor welchen Analyse-, Gestaltungs- und Evaluationsaufgaben Anwender von arbeits- und organisationspsychologischen Trainingskonzepten stehen.
Kapitel 27: Psychologie der Arbeitsscherheit
Arbeitssicherheit beschäftigt sich mit den Gefahren und Gefährdungen in der Arbeitswelt und den Strategien, um diese abzuwenden bzw. zu bewältigen. Mangelnde Arbeitssicherheit macht sich vor allem durch Unfälle und Verletzungen der arbeitenden Personen bemerkbar, wie z. B. Verletzungen der Hand beim (falschen) Verwenden eines Werkzeugs, das Einklemmen von Gliedmaßen in einer Maschine oder schwerste Verletzungen bis zur Todesfolge durch das Explodieren eines chemischen Reaktors in einer Chemieproduktion. Die Beispiele zeigen, dass mangelnde Arbeitssicherheit zu erheblichen Konsequenzen und "Kosten" sowohl für die betroffenen Mitarbeiter als auch das Unternehmen führen kann. Da Arbeitssicherheit nicht allein durch technische Vorrichtungen zu gewährleisten ist, sind bei der Analyse und Gestaltung von Sicherheitsfragen auch verhaltens- und einstellungsbezogene, d. h. psychologische Faktoren in bedeutendem Maße mit ins Kalkül zu ziehen. Mit diesen "psychologischen" Faktoren der Arbeitssicherheit beschäftigt sich dieses Kapitel im Besonderen. Zunächst werden begriffliche Bestimmungen für grundlegende Konzepte des betrieblichen Arbeitsschutzes vorgenommen, Zielsetzungen des Arbeitsschutzes vorgestellt und ein Überblick zu Arten und Vorkommen von Gefährdungen sowie Unfällen in der Arbeitswelt gegeben. Sodann werden das Vorgehen bei der Unfallanalyse und grundlegende Maßnahmen zur Prävention von Arbeitsunfällen beschrieben. Um aus psychologischer Sicht besser zu verstehen, wie es zu Unfällen kommt, werden anschließend verschiedene Modelle zur Erklärung sicherheitskritischen Verhaltens vorgestellt und erläutert. Im Zentrum stehen dabei folgende Fragen: Welche individuellen und organisationalen Faktoren weisen Zusammenhänge mit sicherheitskritischem Verhalten auf? Wie kommt es zu Fehlverhaltensweisen beim arbeitenden Menschen? Welche Arten von Fehlhandlungen sind dabei zu unterscheiden, und welche Faktoren fördern Fehlhandlungen? Um zu verdeutlichen, dass Arbeitssicherheit in hohem Maße auch durch Aspekte des Arbeitssystems und der Organisation als Ganzes beeinflusst wird, werden abschließend verschiedene Ansätze zur Systemsicherheit behandelt. Dabei geht es um Fragen, wie Unfälle auch durch latente Bedingungen der Arbeitsabläufe und der organisationalen Strukturen ausgelöst bzw. durch Faktoren einer Sicherheitskultur vermieden werden können. Hierzu werden außerdem verschiedene Instrumente zur Förderung der Systemsicherheit und Sicherheitskultur vorgestellt.
Kapitel 28: Wirkungen der Arbeit
Beruf und Arbeit sind zentrale Faktoren unseres Lebens und haben großen Einfluss auf die Gestaltung des Alltags, indem sie ihn maßgeblich strukturieren und bestimmen. In der arbeitspsychologischen Forschung beschäftigt man sich seit Langem mit der Bedeutung der Arbeit für den Menschen, ihren Wirkungen und Folgen. Die Frage, inwiefern sich eine ungesunde und risikoreiche Arbeitsumgebung negativ auf die Gesundheit auswirken kann, ist aber schon eine viel ältere und wurde insbesondere im Zuge der industriellen Revolution des 19. Jahrhunderts und ihren Folgen für das Arbeitsleben der Menschen aufgeworfen. Lag in den 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts der Fokus gesundheitsbezogener Überlegungen am Arbeitsplatz noch auf der Prävention von Unfällen und der Reduktion physischer Belastungen, zeigte sich in den letzten Jahrzehnten ein Wandel hin zur Betonung von arbeitsbedingten psychischen Belastungen und Erkrankungen (Buunk, de Jonge, Ybema & de Wolff 1998). Arbeitsplatzunsicherheit, stetig zunehmende Anforderungen sowie steigender Zeit- und Leistungsdruck bestimmen den heutigen Arbeitsalltag und fordern von vielen Arbeitnehmern ihren Tribut. So geht seit den 70er Jahren der Krankenstand, also die Dauer der krankheitsbedingten Abwesenheit vom Arbeitsplatz, in Deutschland zwar stetig zurück (Busch, 2006). Gleichzeitig steigt aber der Anteil an psychischen Erkrankungen als Ursache für Arbeitsunfähigkeit stetig an. Im Vergleich zum Jahr 2000 stieg der durch psychische Erkrankungen verursachte relative Anteil der Arbeitsunfähigkeitstage um 124 % von 110 auf 246,2 Tage je Hundert Versicherte pro Jahr in 2016 und lag damit an zweiter Stelle der Ursachen für Arbeitsunfähigkeit laut eines Ergebnisses des DAK Gesundheitsreports 2017 (Marschall, Hildebrandt, Sydow & Nolting, 2017). Dennoch werden trotz objektiv gleicher Arbeitsbelastungen nicht alle Menschen auf gleiche Weise beeinträchtigt. Es stellt sich die Frage, warum manche Menschen unter bestimmten belastenden Umständen krank werden, andere hingegen nicht. In diesem Kapitel soll der Frage nachgegangen werden, wie sich Anforderungen der Arbeit auf die Gesundheit des Menschen auswirken. Der Fokus liegt hier insbesondere auf Stress als arbeitsbedingte psychische Belastungserscheinung sowie seinen Entstehungsbedingungen und gesundheitlichen Folgen. Weiterhin werden Präventionsmaßnahmen und Maßnahmen zur Gesundheitsförderung vorgestellt sowie Zusammenhänge zwischen Arbeit, Freizeit und Persönlichkeit genauer beleuchtet.
Kapitel 29: Neue Formen der Arbeit: Das Beispiel Telekooperation
Arbeitsbedingungen und Märkte verändern sich immer rascher und damit ändern sich neben den Anforderungen an die Organisation auch die Anforderungen an die Beschäftigten. In diesem Zusammenhang ergeben sich insbesondere erhöhte Anforderungen an die Flexibilität der Unternehmen und Mitarbeiter sowie die Nutzung der neuen Informations- und Telekommunikationsmedien. Im Kasten "Telearbeit und Telekooperation" ist ein typisches Beispiel für telekooperatives Arbeiten dargestellt. Dieses Beispiel macht deutlich, wie vielfältig und komplex die Möglichkeiten und Anforderungen bei der Gestaltung telekooperativer Arbeit mittlerweile sind. Unter anderem sollen folgende Fragen in diesem Kapitel beantwortet werden: Welche Arten und Formen der Telearbeit und Telekooperation kann man unterscheiden, und welche Zielsetzungen sowie Vor- und Nachteile sind damit verbunden? Darüber hinaus wird erörtert, welche Anforderungen eine durch telekooperative Technologien unterstützte virtuelle Teamarbeit stellt und welche Aspekte bei der Gestaltung dieser überwiegend netzgestützten Kooperationsform zu berücksichtigen sind. Zu Beginn des Kapitels werden allgemeine Trends der Organisations- und Arbeitsveränderung vorgestellt. Hier handelt es sich einerseits um Veränderungen auf einer organisationsbezogenen Ebene, die durch Begriff wie Modularisierung, Virtualisierung, Netzwerkbildung sowie Internationalisierung und Globalisierung beschrieben werden. Andererseits werden Veränderungen in Bezug auf die Arbeitsebene wie Wissensarbeit und Flexibilisierung angesprochen.
Kapitel 30: Dienstleistungstätigkeiten
In allen entwickelten Volkswirtschaften arbeiten die meisten berufstätigen Menschen im Bereich der Dienstleistungen. Im Gegensatz zu Tätigkeiten in der (industriellen) Produktion, mit denen sich die Arbeitspsychologie bevorzugt beschäftigt, werden Dienstleistungen im mehr oder weniger direkten Kontakt mit dem Kunden produziert. Dieses spezifische Merkmal der Tätigkeit wirft besondere Probleme für die Arbeits- und Organisationspsychologie auf, da die wahrgenommene Qualität der Leistung in hohem Maße von der Einschätzung der Person und des Verhaltens des Dienstleistungsgebers durch den Kunden abhängt. Die psychologischen Aspekte der Tätigkeiten im Dienstleistungsbereich werden im Folgenden etwas genauer analysiert.
Kapitel 31: Dienstleistungsqualität und Kundenzufriedenheit
Die Qualität angebotener Dienstleistungen wird gewöhnlich als das wichtigste Instrument im Wettbewerb um die Kunden angesehen: Hohe Dienstleistungsqualität kann die von den Kunden häufig erlebte Austauschbarkeit der verschiedenen Angebote verringern, die Beziehungen zwischen Organisation und Kunden festigen und den Gefahren des Preiswettbewerbs entgegenwirken (Nerdinger, 2011). Die Qualität hat für den Unternehmenserfolg im Dienstleistungssektor – verglichen mit dem Durchschnitt aller Branchen – sehr viel größere Bedeutung: Durch Qualitätsführerschaft kann der Erfolg von Dienstleistungsunternehmen langfristig gesichert werden, denn die von den Kunden wahrgenommene Dienstleistungsqualität beeinflusst ihre Zufriedenheit und damit die Absicht, den Dienstleistungsgeber zu wechseln, in hohem Maße. Damit kommt der Erklärung der Dienstleistungsqualität und der Kundenzufriedenheit besondere Bedeutung für das Verständnis von Dienstleistungen zu.
Kapitel 32: Steuerung der Dienstleistungsqualität
Zur Steuerung der Dienstleistungsqualität – und damit indirekt der Kundenzufriedenheit – nehmen Organisationen Einfluss sowohl auf Mitarbeiter als auch auf Kunden. Um die Mitarbeiter zu beeinflussen, eignen sich die meisten personalpsychologischen Maßnahmen. Die Beeinflussung der Kunden erfolgt dagegen über die verschiedenen Maßnahmen des Marketing, die als "Marketingmix" bezeichnet werden. Da aber Kunde und Dienstleistungsgeber im Rahmen der Leistungserstellung interaktiv verknüpft sind, haben beide Formen der Beeinflussung – die personal- wie die marktbezogene – immer auch indirekte Auswirkungen auf den jeweiligen Interaktionspartner. Das legt es nahe, die verschiedenen Maßnahmen der Beeinflussung durch Organisationen theoretisch verbunden zu erfassen. Dazu eignet sich das Konzept des Dienstleistungsmarketingmix. Dieses Konzept wird kurz vorgestellt, anschließend werden die wichtigsten Ansatzpunkte zur Steuerung der Dienstleistungsqualität beschrieben.