Begriff | Erklärung |
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Age of Onset | Das Alter, ab dem ein mehrsprachig aufwachsendes Kind beginnt, eine oder mehrere weitere Sprachen zu erwerben. Als grobe Unterscheidung in Abhängigkeit vom Alter erfolgt eine Einteilung in simultan-bilingual und sukzessivbilingual. Nähere Informationen hierzu enthält Kap. 5. |
Allophon | Verschiedene Versionen der Aussprache eines Sprachlautes, ohne dass es dadurch im jeweiligen Sprachsystem zu einer Bedeutungsveränderung des artikulierten Wortes kommt. Beispielsweise führen dialektale Unterschiede bei der Produktion des Lautes /r/ (z. B. das „rollende“ [r] aus dem Fränkischen Dialekt) nicht zu einem Bedeutungsunterschied. Allophone sind somit phonetische Varianten desselben Phonems einer Sprache. |
Aphasie | Erworbene Sprachstörung, bei der es infolge einer Schädigung sprachrelevanter Hirnregionen, z. B. nach einem Schlaganfall oder einem Trauma, zum Verlust bzw. zu schwerwiegenden Beeinträchtigungen bereits vorhandener sprachlicher Fähigkeiten kommt. Betroffen sein können sämtliche sprachliche Fähigkeiten oder auch einzelne Teilbereiche, z. B. ein Verlust sprachproduktiver Fähigkeiten bei intaktem Sprachverständnis. |
Apraxie | Siehe Dyspraxie. |
Artikulationsstörung | Synonym auch als phonetische Störung oder Lautbildungsstörung bezeichnet. Form der Aussprachestörung, bei der einzelne oder mehrere Sprachlaute sprechmotorisch nicht korrekt gebildet werden können. Betroffene Laute werden auch bei isolierter Produktion fehlgebildet, beispielsweise beim Sigmatismus (Fehlbildung von [s], umgangssprachlich „Lispeln“). Im Gegensatz zu phonologischen Störungen ist bei einer reinen Artikulationsstörung ausschließlich die sprechmotorische Ausführung eingeschränkt, während die Organisation des Lautsystems ungestört entwickelt ist. Artikulationsstörungen können allerdings auch in Verbindung mit phonologischen Störungen auftreten. |
Babbeln | "Synonym auch als Lallen bezeichnet. Meilenstein in der frühen Sprachentwicklung, bei dem Kinder beginnen, Silben aus Vokal-Konsonant-Folgen zu bilden (z. B. „ba“), die sie im weiteren Verlauf zu Silbenketten („bababa“; reduplizierendes Babbeln/Lallen) verknüpfen und schließlich mit anderen Silben verbinden („bataba“; variiertes Babbeln/Lallen). Nähere Informationen hierzu enthält Kap. 1." |
Bimodal | Gleichzeitiger Erwerb von Laut- und Gebärdensprache. Nähere Informationen hierzu enthält Kap. 19. |
Bootstrapping | Strategie beim Spracherwerb, bei der Kinder ihr implizites Wissen auf einer Sprachebene nutzen, um ihre Sprachfähigkeiten auf einer anderen Sprachebene auszubauen, z. B. indem die Bedeutung eines Satzes (semantisches Wissen) genutzt wird, um z. B. grammatische Regeln zur Wortstellung (syntaktisches Wissen) abzuleiten. Das Wort ist abgeleitet vom englischen Wort für Stiefelschlaufe („bootstrap“), die am hinteren Teil des Stiefels befestigt ist und als Hilfe beim Anziehen genutzt werden kann. |
Dysathrie | Erworbene Sprechstörung, die durch eine Schädigung des zentralen oder peripheren Nervensystems, z. B. als Folge von Traumata, Schlaganfällen oder degenerativen Erkrankungen, entsteht. Betroffene zeigen Bewegungsstörungen von Muskeln, die für die Steuerung und Ausführung von Sprechbewegungen zuständig sind. Hieraus resultierende Beeinträchtigungen können die Artikulation, Sprechatmung und Stimmgebung sowie die Regulation von Lautstärke und Sprechtempo betreffen und zu einer eingeschränkten Verständlichkeit bis hin zur völligen Unverständlichkeit führen. |
Dyspraxie | Bewegungsstörung, bei der die Planung und Ausführung zielgerichteter Bewegungen, z. B. der Sprechorgane, beeinträchtigt ist, ohne dass eine Einschränkung der Beweglichkeit, z. B. eine Lähmung, feststellbar ist. Die verbale Entwicklungsdyspraxie (synonym auch kindliche Sprechapraxie ist eine zentrale Störung der Planung und Programmierung von Sprechbewegungen, die zur Beeinträchtigung des Aufbaus des gesamten Sprachsystems (Wortschatz, Grammatik) führen kann. Betroffene Kinder zeigen eine stark eingeschränkte Verständlichkeit und Suchbewegungen bei der Artikulation. Begleitend können auch willkürliche nichtsprachliche Bewegungen der Sprechorgane auftreten. |
Exekutive Funktionen | Kognitive Fähigkeiten, die dafür erforderlich sind, das eigene Denken und Handeln zu planen und zu steuern. Exekutive Funktionen sind vor allem bei komplexeren Aufgaben, z. B. mehrere Handlungsschritte voraussetzende Aufgaben, erforderlich oder dann, wenn z. B. Ablenkungen ausgeblendet oder mit unvorhergesehenen Ereignissen umgegangen werden muss. Unter exekutiven Funktionen im engeren Sinne werden Inhibition/Impulskontrolle, kognitive Flexibilität (Einstellenkönnen auf neue Aufgaben) sowie die Aktualisierung von Informationen im Arbeitsgedächtnis gefasst. |
Fast Mapping | Strategie beim frühen Wortschatzerwerb, bei der Kinder Wörtern, die sie erst wenige Male gehört haben, eine erste Bedeutung zuschreiben. Diese Bedeutungszuschreibung ist zunächst noch sehr undifferenziert, ermöglicht es dem Kind aber, das Wort bereits schnell in seinen rezeptiven und evtl. expressiven Wortschatz aufzunehmen und diesen dadurch zügig auszubauen. Im weiteren Verlauf des Spracherwerbs wird die vorläufige Abbildung der Wortbedeutung zunehmend ausdifferenziert (sog. „Slow Mapping“). Nähere Informationen hierzu enthält Kap. 1. |
Fremdsprachenerwerb | Erwerb einer 2. bzw. weiterer Sprachen durch expliziten (Schul-) Unterricht. Im Gegensatz dazu wird der Begriff „Zweitspracherwerb“ zumeist verwendet, wenn der Erwerb einer weiteren Sprache durch Kontakt zu dieser und aufgrund der Relevanz der Sprache im Alltag von Lernenden erfolgt. |
GAP-Verben | General-all-Purpose-Verben. Vielzweckverben wie „tun“ oder „machen“, die wenig spezifisch sind und sich in verschiedenen Kontexten einsetzen lassen. |
Geteilte Aufmerksamkeit | Synonym auch als Joint Attention oder Triangulierung bezeichnet. Wichtige Vorläuferfertigkeit für den Spracherwerb, die Ende des 1. Lebensjahres ausgebildet wird und die die Fähigkeit meint, die eigene Aufmerksamkeit für einen Gegenstand willentlich und bewusst mit einer weiteren Person zu teilen. Zu Beginn wird dieser gemeinsame Aufmerksamkeitsfokus z. B. durch Zeigen auf ein Objekt von der Bezugsperson des Kindes hergestellt, während das Kind der Aufmerksamkeitslenkung folgt. Im weiteren Verlauf beginnt das Kind selbst, die Aufmerksamkeit von Bezugspersonen auf einen es interessierenden Gegenstand zu lenken. Nähere Informationen enthalten Kap. 1 sowie Kap. 2. |
Kindgerichtete Sprache | Sprachstil, den Erwachsene, aber auch schon Kinder ab 4 Jahren im Gespräch mit jungen Kindern nutzen und bei dem sie ihre Sprache intuitiv an die sprachlichen Fähigkeiten des adressierten Kindes anpassen. Unterschieden werden in der Regel die 3 Stadien Ammensprache, stützende Sprache und lehrende Sprache, die für unterschiedliche Sprachniveaus der Kinder relevant sind und die durch jeweils spezifische Modifikationen der Sprechweise gekennzeichnet sind. Nähere Informationen hierzu enthält Kap. 2. |
Komorbidität | Zeitgleiches Auftreten von mehreren psychischen oder Entwicklungsstörungen bei einer Person, wobei die Art des Zusammenhangs zunächst nicht spezifiziert ist. Im deutschen Sprachraum in Bezug auf Sprachentwicklungsstörungen (SES) in 2 unterschiedlichen Bedeutungen verwendet: 1. Komorbidität als das die SES verursachendes Störungsbild (z. B. Hörstörung, Intelligenzminderung), 2. häufig gemeinsam mit SES auftretende Störungsbilder, deren genauer Zusammenhang zu SES bislang nicht hinreichend geklärt ist (z. B. sozial-emotionale oder motorische Störungen). Nähere Informationen hierzu enthält Kap. 12. |
Korrektives Feedback | Von Eltern intuitiv verwendete sowie in der Sprachtherapie als Methode eingesetzte Technik, bei der eine sprachlich fehlerhafte Äußerungen des Kindes in korrigierter Form wiedergegeben wird, wobei inhaltlich an das vom Kind Gesagte angeknüpft wird. |
Lallen | "Synonym auch als Babbeln bezeichnet. Meilenstein in der frühen Sprachentwicklung, bei dem Kinder beginnen, Silben aus Vokal-Konsonant-Folgen zu bilden (z. B. „ba“), die sie im weiteren Verlauf zu Silbenketten („bababa“; reduplizierendes Babbeln/Lallen) verknüpfen und schließlich mit anderen Silben verbinden („bataba“; variiertes Babbeln/Lallen)." |
Landau-Kleffner-Syndrom | Auch: Aphasie mit Epilepsie. Form von Aphasie im Kindesalter, die typischerweise zwischen dem Alter von 3 und 7 Jahren einsetzt und bei der es zu einem Verlust bereits erworbener Sprachfähigkeiten kommt. Betroffene Kinder zeigen im Schlaf epilepsieähnliche Veränderungen der Gehirnaktivität. Die genaue Ursache des Störungsbildes ist bislang unbekannt. Abzugrenzen ist ein Sprachverlust infolge von Hirntraumata, Tumorerkrankungen, Autismus-Spektrum-Störungen oder kindlicher Demenz. Der Grad des Sprachverlusts sowie der Verlauf der Erkrankung sind sehr heterogen und variieren von leichten Defiziten bis zum vollkommenen Verlust expressiver und rezeptiver Sprachfähigkeiten sowie von der Normalisierung bis zum dauerhaften Fortbestand der Symptomatik. |
Late Bloomer | Wörtlich: „Spätblüher“, Kinder mit einer Sprachentwicklungsverzögerung (Late Talker), die ihren sprachlichen Rückstand zu Gleichaltrigen bis zum Alter von 3 Jahren aufgeholt haben. |
Late Talker | Wörtlich: „Spätsprecher“. Kinder, die im Alter von 24 Monaten einen expressiven Wortschatz von weniger als 50 Wörtern aufweisen und/oder noch keine Zwei- oder Mehrwortäußerungen produzieren bzw. die vor dem Alter von 3 Jahren hinsichtlich ihres Spracherwerbs zu den langsamsten 10 % ihres Jahrgangs gehören. Bei diesen Kindern liegt somit eine Sprachentwicklungsverzögerung vor. Nähere Informationen hierzu enthält Kap. 9. |
Lexikalisch | Den Wortschatz einer Person oder Sprache betreffend. |
Lexikon | Der Wortschatz einer Sprache oder einer Person. Der Wortschatz einer Person wird auch als mentales Lexikon bezeichnet. Das Konstrukt des mentalen Lexikons ist als Teil des Langzeitgedächtnisses konzipiert, wobei verschiedene Modelle dazu existieren, in welcher Form das Wortinventar eines Sprechers/einer Sprecherin im mentalen Lexikon gespeichert ist. |
Metasprache | „Sprechen über Sprache“, d. h. die explizite, bewusste Betrachtung von Merkmalen einer Sprache und deren Reflexion. Voraussetzung für das Reflektieren über Sprache ist Sprachbewusstsein, eine Unterform z. B. die phonologische Bewusstheit. |
Metasprachlich | Die Metasprache betreffend. |
MLU (Mean Length of Utterance) | Mittlere Äußerungslänge, die über die Anzahl der pro Äußerung durchschnittlich verwendeten Wörter oder Morpheme gemessen werden kann. |
Modellierungstechniken | Techniken in der Sprachtherapie, bei denen der Therapeut bzw. die Therapeutin in einer natürlichen Kommunikationssituation mit dem Kind dessen fehlerhafte oder unvollständige Äußerungen inhaltlich aufgreift und in korrigierter oder erweiterter Form wiedergibt. Die Korrektur oder Erweiterung erfolgt dabei dergestalt, dass das Kind nicht explizit darauf hingewiesen wird. Es wird jedoch angenommen, dass durch das Ansetzen an der Äußerung des Kindes eine für die Aufnahme der Korrektur durch das Kind besonders günstige Situation geschaffen wird. Als Sprachlehrstrategien finden sich diese auch in Kommunikationsmustern zwischen Bezugspersonen und Kindern mit normalem Spracherwerb. Sie werden meist im Rahmen der kindgerichteten Sprache beschrieben. |
Morphem | Wortbaustein, kleinste bedeutungstragende Einheit einer Sprache. Morpheme werden in geschweiften Klammern { } notiert. Es können Morpheme, die eine inhaltliche Bedeutung tragen wie {Hund} oder {schwimm}, und grammatische Morpheme wie beispielsweise das Morphem {-e} im Wort „Hunde“, das die Bedeutung „Plural, mehr als eins davon“ trägt, unterschieden werden. |
Morphologie | Wortbau- und Wortformenlehre. Teilgebiet der Grammatik, das sich mit dem Aufbau von Wörtern aus Morphemen beschäftigt. Unterschieden wird zwischen der Wortbildung (= Derivation, z. B. Ableitung des Wortes „glücklich“ aus den Morphemen {Glück} und {-lich}) und der grammatischen Veränderung von Wörtern im Satzkontext (= Flexion, z. B. Anpassung des Verbs an das entsprechende Subjekt durch Wahl des entsprechenden Flexionsmorphems, z. B. ich {geh}{e}, du {geh}{st} etc.). |
Morphologisch | Die Morphologie betreffend. |
Morphosyntaktisch | Die Morphologie und die Syntax betreffend. Synonym: grammatisch. |
Mutismus | Emotional bedingte Störung des Kommunikationsverhaltens, bei der Betroffene trotz vorhandener Sprachfähigkeit entweder in bestimmten Situationen bzw. mit bestimmten Personen (selektiver/elektiver Mutismus) oder grundsätzlich (totaler Mutismus) nicht sprechen. |
Normierung | Psychometrisches (Neben-)Gütekriterium von Testverfahren. Im Zuge der Normierung wird das Testverfahrens mit einer möglichst umfangreichen und repräsentativen Stichprobe durchgeführt und anschließend die Verteilung der durch diese Normstichprobe erzielten Testwerte ermittelt. Anhand dieser Verteilung können innerhalb der Diagnostik die Leistungen eines Kindes eingeschätzt werden, z. B. ob bzw. wie weit die Leistungen des untersuchten Kindes unterhalb des Normbereichs für seine Altersgruppe liegen. Nähere Informationen hierzu enthält Kap. 7. |
Objektivität | Psychometrisches Gütekriterium von Testverfahren. Ausmaß, in dem ein Verfahren die zu erfassende Leistung unabhängig von dem/der jeweiligen Testleiter/-in misst. Unterschieden werden die Durchführungs-, die Auswertungs- und die Interpretationsobjektivität. Nähere Informationen hierzu enthält Kap. 7. |
Peers | "Diese aus dem Englischen überwiegend nicht übersetzte Bezeichnung steht für eine Gruppe von ähnlichen Personen; im Kontext dieses Buches sind zumeist Gleichaltrige gemeint." |
Phon | Sprachlaut, der hinsichtlich seiner akustischen, auditiven oder artikulatorischen (z. B. Artikulationsart und Artikulationsort) Eigenschaften betrachtet und klassifiziert werden kann, jedoch noch nicht im Hinblick auf seine Funktion in einem bestimmten Sprachsystem klassifiziert wurde. Phone werden in eckigen Klammern [ ] notiert und sind Gegenstand der Phonetik. |
Phonem | Sprachlaut, der im Hinblick auf seine Funktion in einem bestimmten Sprachsystem (z. B. des Deutschen) betrachtet und klassifiziert wird. Phoneme sind die kleinste bedeutungsunterscheidende Einheit einer Sprache. Sie werden in Schrägstrichen notiert / / und sind Gegenstand der Phonologie. |
Phonetik | Lautlehre, die sich mit den artikulatorischen, akustischen sowie auditiven Eigenschaften von Sprachlauten beschäftigt. Unterschieden werden entsprechend die artikulatorische, akustische und auditive Phonetik. Im Kontext von Sprachtherapieist vor allem die artikulatorische Phonetik von Bedeutung, die sich damit beschäftigt, wie Sprachlaute sprechmotorisch gebildet werden. |
Phonetisch | Die Phonetik betreffend. |
Phonetische Störung | Synonym auch als Artikulationsstörung bzw. Lautbildungsstörung bezeichnet. Aussprachestörung, bei der einzelne oder mehrere Sprachlaute sprechmotorisch nicht korrekt gebildet werden können. Betroffene Laute werden auch bei isolierter Produktion fehlgebildet, beispielsweise beim Sigmatismus (Fehlbildung von [s], umgangssprachlich: „Lispeln“). Im Gegensatz zu phonologischen Störungen ist bei einer rein phonetischen Störung ausschließlich die sprechmotorische Ausführung eingeschränkt, während die Organisation des Lautsystems ungestört entwickelt ist. Phonetische Störungen können allerdings auch in Verbindung mit phonologischen Störungen auftreten. |
Phonologie | Lehre vom Lautsystem einer Sprache, die sich damit befasst, welche Sprachlaute innerhalb einer Einzelsprache bedeutungsunterscheidend sind und somit Phoneme dieser Sprache darstellen. |
Phonologisch | Die Phonologie betreffend. |
Phonologisches Arbeitsgedächtnis | Teil des Arbeitsgedächtnisses, der für die kurzfristige Speicherung und Verarbeitung von auditivem/verbalem Material entscheidend ist. Die Kapazität des phonologischen Arbeitsgedächtnisses kann über das Nachsprechen von Pseudowörtern oder Zahlen bzw. Wortfolgen ermittelt werden. Nähere Informationen hierzu enthält Kap. 6. |
Phonologische Bewusstheit | Metasprachliche Fähigkeit, Bewusstsein für die Lautstruktur von Wörtern. Fähigkeit, sich von der Bedeutung von Wörtern zu lösen und deren lautliche Eigenschaften, z. B. Wortlänge, Silbenstruktur oder enthaltene Sprachlaute, zu betrachten. Unterschieden werden können die phonologische Bewusstheit im weiteren (größere Einheiten wie Reime und Silben) und im engeren Sinne (Lautebene, z. B. Identifizieren von Anfangslauten). Phonologische Bewusstheit stellt eine zentrale Vorläuferfähigkeit für den Schriftspracherwerb dar. |
Phonologische Prozesse | Systematische Vereinfachungen der Aussprache, die von Kindern beim Ausspracheerwerb vorgenommen werden. Unterteilt werden Strukturprozesse (Veränderung der Wortstruktur, z. B. durch Reduktion von Mehrfachkonsonanz wie in „Necke“ statt „Schnecke“), Substitutionsprozesse (Ersetzung von Lauten durch einfacher zu produzierende Laute, z. B. „Tinderdarten“ statt „Kindergarten“) und Assimilationsprozesse (Angleichung von Lauten an andere Laute im Wort, z. B. „Babel“ statt „Gabel“). |
Phonologische Störung | Lautverwendungsstörung. Aussprachestörung, bei der die Organisation des Lautsystems betroffen ist. Betroffene Kinder zeigen nicht altersentsprechende oder bei ungestörtem Spracherwerb nicht vorkommende phonologische Prozesse. Die motorische Bildung betroffener Laute oder Lautgruppen auf Einzellautebene ist bei rein phonologischen Störungen nicht betroffen. Phonologische Störungen können jedoch auch in Kombination mit phonetischen Störungen auftreten |
Phonotaktik | System von Regeln, wie Sprachlaute in einer bestimmten Sprache in Wörtern kombiniert sein dürfen. Beispielsweise ist die Lautkombination „schw“ im Deutschen am Wortanfang, nicht jedoch am Wortende zulässig |
Phonotaktisch | Die Phonotaktik betreffend. |
Poltern | Redeflussstörung, bei der Betroffene überhastet bzw. mit innerhalb von Äußerungen wechselndem Sprechtempo sprechen und Laute oder ganze Wortteile auslassen bzw. miteinander verschmelzen lassen, sodass es zu einer Beeinträchtigung der Verständlichkeit kommt. |
Pragmatik | Lehre vom kommunikativen Gebrauch von Sprache. Zum Bereich der Pragmatik gehören die situationsangemessene Verwendung von Sprache, z. B. die Anpassung an den Gesprächspartner, sprachliche Konventionen wie Bitten oder Grüßen, Kommunikationsregeln, die Verwendung des indirekten Sprachgebrauchs wie Metaphern oder Ironie sowie die Ausführung verschiedener Sprachhandlungen, z. B. Erzählen oder Argumentieren. |
Pragmatisch | Die Pragmatik betreffend. |
Prosodie | Lehre von der melodischen Gliederung der Rede. Zur Prosodie gehören u. a. Sprechtempo und Sprechrhythmus, Intonation, Tonlage und Lautstärke. |
Prosodisch | Die Prosodie betreffend. |
Reliabilität | Psychometrisches Gütekriterium von Testverfahren. Gibt das Ausmaß der Zuverlässigkeit und Messgenauigkeit eines Verfahrens an und erlaubt Aussagen darüber, wie hoch der Einfluss von Messfehlern auf das Testergebnis ist und wie stabil (d. h. z. B. unabhängig von der Tagesform) die zu messende Eigenschaft durch das Verfahren erfasst wird. Nähere Informationen hierzu enthält Kap. 7. |
Schallempfindungsschwerhörigkeit | Hörschädigung, deren Ursache auf Ebene derUmwandlung der aufgenommenen Schallwellen in neuronale Impulse innerhalb der Cochlea (Hörschnecke) liegt. In sehr seltenen Fällen ist die Weiterleitung im Gehirn betroffen. Nähere Informationen hierzu enthält Kap. 19. |
Schallleitungsschwerhörigkeit | Hörschädigung, bei der die Weiterleitung des Schalls im Mittelohr eingeschränkt ist. Diese Form der Hörschädigung tritt häufig nur vorübergehend auf. Nähere Informationen hierzu enthält Kap. 19. |
Screening | Diagnostisches Verfahren, dass zur Identifikation von Risikokindern für das Vorliegen oder das spätere Ausbilden von Entwicklungsproblemen, z. B. bei der Sprachentwicklung oder beim Schriftspracherwerb, herangezogen wird. Im Gegensatz zu Testverfahren sind Screenings kürzer bzw. weniger aufwendig durchzuführen und häufig für eine ganze Kindergruppe gleichzeitig einsetzbar. Sie liefern zunächst Anhaltspunkte darüber, ob bei einem Kind der Verdacht auf bzw. das Risiko eines bestimmten Entwicklungsproblems besteht. Kinder, die im Screening auffällige Werte erzielen, sollten im Rahmen einer genaueren Diagnostik untersucht werden, um zu ermitteln, ob eine klinisch relevante Störung, z. B. der Sprachentwicklung, vorliegt und sie entsprechende (therapeutische) Maßnahmen benötigen. Nähere Informationen enthalten Kap. 7 sowie Kap. 8. |
Semantik | Lehre von der Bedeutung sprachlicher Zeichen. Unterschieden werden können die Wort-, die Satz- und die Textsemantik. |
Semantisch | Die Semantik betreffend. |
Sensitivität | Anteil der Kinder, die durch ein Screening korrekt als Kinder identifiziert werden, bei denen das zu ermittelnde Entwicklungsproblem vorliegt. Beispielsweise hätte ein Verfahren zur Identifikation von Kindern mit erhöhtem Risiko auf spätere Lese-Rechtschreib-Störungen eine Sensitivität von 80 %, wenn 80 % jener Kinder, die mit dem Verfahren als auffällig eingestuft wurden, später eine Lese-Rechtschreib-Störung haben. |
Simultan-bilingual | Mehrsprachig aufwachsende Kinder, die von Geburt an mit mindestens 2 Sprachen aufwachsen. Auch wenn hinsichtlich genauer Altersgrenzen keine Einigkeit besteht, werden von den meisten Autoren auch noch jene Kinder als simultan mehrsprachig bezeichnet, bei denen der Erwerb einer weiteren Sprache innerhalb der ersten beiden Lebensjahre beginnt. Nähere Informationen enthalten Kap. 5 sowie Kap. 10. |
Spezifität | Anteil der Kinder, die durch ein Screening korrekt als Kinder identifiziert werden, bei denen das zu ermittelnde Entwicklungsproblem nicht vorliegt. Beispielsweise hätte ein Verfahren zur Identifikation von Kindern mit erhöhtem Risiko auf spätere Lese-Rechtschreib-Störungen eine Spezifität von 90 %, wenn 90 % jener Kinder, die mit dem Verfahren als unauffällig eingestuft wurden, später auch tatsächlich keine Lese-Rechtschreib-Störung ausbilden. |
Sprachentwicklungsstörung | Abkürzung: SES. Gravierende Verzögerungen bzw. Abweichungen der Entwicklung sprachlicher Fähigkeiten. Eine Diagnosestellung ist ab dem Alter von 3 Jahren möglich. Störungen der Sprachentwicklung können im Rahmen anderer Störungsbilder (z. B. einer geistigen Behinderung oder Hörstörung) auftreten. Bei 6–8 % aller Kinder eines Jahrgangs treten Störungen der Sprachentwicklung jedoch ohne (bislang) eindeutig bekannte Ursache auf (spezifische/umschriebene Sprachentwicklungsstörung). Nähere Informationen hierzu enthält Kap. 11. |
Sprachentwicklungsverzögerung | Abkürzung: SEV. Bei Kindern vor dem Alter von 3 Jahren, die sich hinsichtlich ihrer Sprachentwicklung unter den langsamsten 10–15 % ihres Jahrgangs befinden, liegt eine SEV vor. Ein wichtiges Kriterium ist das Nichterreichen eines produktiven Wortschatzes von mindestens 50 Wörtern und/oder die ausbleibende Produktion von Zwei- und Mehrwortäußerungen im Alter von 24 Monaten (Late Talker). Kinder mit SEV haben ein erhöhtes Risiko für das spätere Ausbilden einer Sprachentwicklungsstörung. Nähere Informationen hierzu enthält Kap. 9. |
Sprachförderung | Maßnahme zur Verbesserung sprachlicher Fähigkeiten, die sich speziell an Kinder mit geringen sprachlichen Fähigkeiten (im Deutschen) richten und die durch pädagogische Fachkräfte wie Erzieher/-innen oder Lehrer/-innen durchgeführt wird. Zielgruppen von Sprachförderung bilden z. B. Kinder aus einem anregungsarmen Umfeld und mehrsprachig aufwachsende Kinder mit noch geringen Deutschfähigkeiten. Sprachförderung kann zudem begleitend zur Sprachtherapie bei Kindern mit Sprachentwicklungsstörungen durchgeführt werden. |
Sprachliche Bildung | Maßnahmen zur Unterstützung des Ausbaus sprachlicher Fähigkeiten bei allen Kindern. Sprachliche Bildung ist Aufgabe aller Bildungseinrichtungen und wird entsprechend durch pädagogische Fachkräfte umgesetzt. |
Sprachtherapie | Maßnahmen zur Verbesserung sprachlicher Fähigkeiten für Kinder mit diagnostizierten Störungen der Sprachentwicklung, die von speziell hierfür ausgebildeten Personen, z. B. Logopäden und Logopädinnen oder akademischen Sprachtherapeuten und Sprachtherapeutinnen, durchgeführt werden. Bei der Sprachtherapie wird abgeleitet aus einer differenzierten Diagnostik mit dem Kind an dem Verständnis und/oder der Produktion von spezifischen sprachlichen Zielstrukturen (z. B. einer bestimmten grammatischen Struktur) gearbeitet. Die Verordnung einer Sprachtherapie ist durch die Heilmittelrichtlinien geregelt. Nähere Informationen enthalten Kap. 7 sowie Kap. 15. |
Spezifische Sprachentwicklungsstörung | "Abkürzung: SSES; synonym als umschriebene Sprachentwicklungsstörung bezeichnet. Störung der Sprachentwicklung, ohne (bislang) eindeutig bekannte Ursache, die ca. 6–8 % aller Kinder eines Jahrgangs betrifft. Die Störung ist nicht zurückzuführen auf eine zugrunde liegende Primärstörung, z. B. eine geistige Behinderung, eine Hörstörung oder eine Autismus-Spektrum-Störung, jedoch zeigen betroffene Kinder häufig begleitende bzw. Folgeprobleme in anderen Bereichen, z. B. in der sozial-emotionalen Entwicklung. Da das Attribut „spezifisch“ suggerieren könnte, dass sich die Schwierigkeiten betroffener Kinder auf die Sprachentwicklung beschränken, steht in der aktuellen wissenschaftlichen Diskussion eine Umbenennung des Störungsbildes zur Debatte. Der ursprüngliche Terminus „umschrieben“ oder „spezifisch“ bezieht sich zumeist darauf, dass die Sprachentwicklung im Vergleich zur allgemeinen kognitiven/nonverbalen kognitiven Entwicklung deutlich beeinträchtigt ist. Nähere Informationen hierzu enthält Kap. 11." |
Standardabweichung | Die Standardabweichung ist ein Maß für die Streuung der Werte einer Verteilung. Sie errechnet sich aus der Wurzel der Varianz und gibt an, wie weit die einzelnen Messwerte vom Mittelwert der jeweiligen Stichprobe abweichen. Bei normalverteilten Variablen liegt der Durchschnitts- bzw. Normbereich zwischen einer Standardabweichung über dem Mittelwert und einer Standardabweichung unter dem Mittelwert. Bei der Verwendung vonT-Werten entspricht der Mittelwert 50 und die Standardabweichung dem Wert 10. Bei Kindern mit Testwerten zwischen 40 und 60 ist somit von durchschnittlichen (Sprach-) Leistungen bzw. Leistungen im Normbereich auszugehen. |
Stottern | Redeflussstörung, die durch unfreiwillige Dehnungen und Wiederholungen von Lauten sowie Blockierungen charakterisiert ist. Darüber hinaus zeigen Betroffene häufig Begleitsymptome wie Mitbewegungen, Schweißausbrüche, Herzrasen oder das Vermeiden bestimmter Situationen oder Gesprächsthemen |
Subjekt-Verb-Kongruenz | Übereinstimmung des Subjekts eines Satzes mit dem zugehörigen Verb in Bezug auf die Person und den Numerus, z. B. „ich geh-e“, „du geh-st“, „er/sie/es geh-t“ etc. |
Sukzessiv-bilingual | Mehrsprachig aufwachsende Kinder, bei denen der Erwerb von 2 oder mehr Sprachen nicht von Geburt an gleichzeitig erfolgt, sondern das Kind zunächst einige Zeit mit nur einer Sprache aufwächst und erst zu einem späteren Zeitpunkt eine oder mehrere weitere Sprachen hinzukommen. In Abgrenzung zum simultan-bilingualen bzw. mehrsprachigen Erwerb wird von einem sukzessiv mehrsprachigen Erwerb oft beim Hinzukommen der 2. Sprache nach dem 2. Geburtstag gesprochen. Altersgrenzen werden jedoch diskutiert und entsprechend nicht einheitlich verwendet, sodass teilweise auch schon das Hinzukommen der 2. Sprache nach dem 1. Geburtstag als sukzessiver Erwerb bezeichnet wird. Nähere Informationen enthalten Kap. 5 sowie Kap. 10. |
Syntax | Lehre vom Satzbau. Teilgebiet der Grammatik, das sich damit beschäftigt, nach welchen Regeln Wörter zu größeren Einheiten wie Satzteilen, Phrasen und Sätzen angeordnet werden. Zum Bereich der Syntax gehören z. B. Regeln in Bezug darauf, welche Wörter an welcher Satzposition stehen dürfen. |
Syntaktisch | Die Syntax betreffend. |
Theory of Mind | Fähigkeit, sich selbst und anderen mentale Prozesse wie Denken, Fühlen und Wahrnehmen zuzuschreiben. Hierzu gehört auch, die Perspektive anderer Personen einnehmen zu können, d. h., etwa zu verstehen, dass andere Personen über weniger Informationen zu einem Sachverhalt verfügen oder andere Ansichten zu einem Thema haben können als man selbst. Nähere Informationen hierzu enthält Kap. 6. |
T-Wert | Standardwert, der häufig in Sprachentwicklungstests/psychometrischen Tests verwendet wird. Der entsprechende T-Wert für das Testergebnis eines Kindes (z. B. die Anzahl korrekt benannter Wörter) kann anhand der Normtabelle abgelesen werden. Auf diese Weise kann eingeschätzt werden, ob das Testergebnis des Kindes innerhalb der Altersnorm liegt. Bei der Verwendung von T-Werten wird diese meist innerhalb der 1. Standardabweichung definiert, also zwischen T-Werten von 40 und 60 (Mittelwert der T-Wert Skala: 50, Standardabweichung: 10). Anhand von T-Werten können auch Ergebnisse verschiedener Testverfahren miteinander verglichen werden. |
Umschriebene Sprachentwicklungsstörung | "Abkürzung: USES; synonym als spezifische Sprachentwicklungsstörung bezeichnet. Störung der Sprachentwicklung, ohne (bislang) eindeutig bekannte Ursache, die ca. 6–8 % aller Kinder eines Jahrgangs betrifft. Die Störung ist nicht zurückzuführen auf eine zugrunde liegende Primärstörung, z. B. eine geistige Behinderung, eine Hörstörung oder eine Autismus-Spektrum-Störung, jedoch zeigen betroffene Kinder häufig begleitende bzw. Folgeprobleme in anderen Bereichen, z. B. in der sozial-emotionalen Entwicklung. Da das Attribut „umschrieben“ suggerieren könnte, dass sich die Schwierigkeiten betroffener Kinder allein auf die Sprachentwicklung beschränken, steht in der aktuellen wissenschaftlichen Diskussion eine Umbenennung des Störungsbildes zur Debatte. Der ursprüngliche Terminus „umschrieben“ oder „spezifisch“ bezieht sich meist darauf, dass die Sprachentwicklung im Vergleich zu allgemeinen kognitiven/nonverbalen kognitiven Entwicklung deutlich beeinträchtigt ist. Nähere Informationen hierzu enthält Kap. 11." |
Validität | Psychometrisches Gütekriterium von Testverfahren. Es gibt an, inwiefern ein Testverfahren das Konstrukt misst, dass es zu messen beabsichtigt. Beispielsweise sollte bei der Durchführung eines Sprachtests sichergestellt werden, dass dieser tatsächlich die sprachlichen Fähigkeiten eines Kindes erfasst und nicht andere Konstrukte, z. B. Aufmerksamkeit. Nähere Informationen hierzu enthält Kap. 7. |
Verbendstellung | Im deutschen Nebensatz steht das finite, d. h. das nach Person und Numerus an das Subjekt angepasste Verb an letzter Satzposition. |
Verbzweitstellung | Im deutschen Hauptsatz steht das finite, d. h. das nach Person und Numerus an das Subjekt angepasste Verb an 2. Satzposition. |
Vorläuferfähigkeiten | Fähigkeiten, die entscheidende Voraussetzungen für den Erwerb einer komplexeren Fähigkeit, z. B. den Spracherwerb oder den Schriftspracherwerb, darstellen. Vorläuferfähigkeiten für den Spracherwerb sind z. B. Interesse für Sprache und für menschliche Gesichter, geteilte Aufmerksamkeit, Imitationsbereitschaft und intentionales Handeln. |
Zone der nächsten Entwicklung | Von Wygotski geprägter Begriff. Wird ein Förder- bzw. Therapieangebot an den beim aktuellen Entwicklungsstand eines Kindes als nächstes zu erwartenden Entwicklungsschritt angepasst, so liegt dieses Angebot in der Zone der nächsten Entwicklung des Kindes. |