David G. Myers

Inhalt

  • 7.1 Grundprinzipien sensorischer Wahrnehmung
    • 7.1.1 Transduktion
    • 7.1.2 Schwellen
    • 7.1.3 Sensorische Adaptation
    • 7.1.4 Wahrnehmungsset
    • 7.1.5 Kontexteffekte
    • 7.1.6 Emotion und Motivation
  • 7.2 Sehen
    • 7.2.1 Reizinput Lichtenergie
    • 7.2.2 Das Auge
    • 7.2.3 Visuelle Informationsverarbeitung
    • 7.2.4 Farbensehen
    • 7.2.5 Visuelle Organisation
    • 7.2.6 Visuelle Interpretation
  • 7.3 Hören
    • 7.3.1 Reizinput Schallwellen
    • 7.3.2 Das Ohr
  • 7.4 Andere wichtige Sinne
    • 7.4.1 Tastsinn
    • 7.4.2 Schmerz
    • 7.4.3 Geschmackssinn
    • 7.4.4 Geruchssinn
    • 7.4.5 Lage und Bewegung des Körpers im Raum
  • 7.5 Exkurs: Außersinnliche Wahrnehmung – Wahrnehmung ohne Empfindung?
  • 7.6 Kapitelrückblick
    • 7.6.1 Verständnisfragen
    • 7.6.2 Schlüsselbegriffe
    • 7.6.3 Weiterführende deutsche Literatur

 

Zusammenfassung

 

Grundprinzipien sensorischer Wahrnehmung

Empfindung ist der Prozess, bei dem unsere Sinnesrezeptoren und das Nervensystem Reizenergien aus der Umwelt bekommen und sie repräsentieren. Wahrnehmung ist der Prozess, durch den wir diese Informationen organisieren und interpretieren. Obwohl wir aus analytischen und deskriptiven Gründen Empfindung und Wahrnehmung als voneinander getrennt ansehen, sind beide in Wirklichkeit Bestandteile eines kontinuierlichen Prozesses. Die datengesteuerte Verarbeitung ist die sensorische Auswertung, die am Eingang der Informationen ansetzt, wenn sie von den Sinnesrezeptoren zum Gehirn strömen. Konzeptgesteuerte Verarbeitung ist eine Auswertung, die im Gehirn beginnt und dann auf weiter unten liegende Niveaus zurückgeht; dabei werden die Informationen aufgrund unserer Erfahrungen und Erwartungen gefiltert. Dadurch werden dann Wahrnehmungen hervorgerufen.

Jede Spezies ist ausgerüstet mit der Sensibilität, die ihr das Überleben und Fortbestehen sichert. Psychophysik ist die wissenschaftliche Erforschung der Zusammenhänge zwischen den physikalischen Merkmalen der Reize und der Art und Weise, wie wir sie psychisch erleben. Unsere absolute Schwelle für jeden Reiz ist die minimale Stimulation, die erforderlich ist, damit wir uns dieses Reizes in 50% der Fälle bewusst sind. Die Theorie der Signaldetektion zeigt, dass unsere persönlichen absoluten Schwellen abhängig von der Stärke des Signals sind, aber auch von unseren Erfahrungen, Erwartungen und der eigenen Motivation und Wachsamkeit. Unsere Unterschiedsschwelle (auch als eben merklicher Unterschied bezeichnet) ist ein kaum merklicher Unterschied, den wir in 50% der Fälle erkennen. Das Weber'sche Gesetz besagt Folgendes: Damit zwei Reize von der Wahrnehmung her unterschiedlich sind, müssen sie sich durch ein konstantes Verhältnis unterscheiden (wie z. B. durch einen 2-prozentigen Unterschied im Gewicht) und nicht durch eine konstante Differenz. Versuche zum Priming-Effekt und andere Experimente zeigen, dass wir manche Informationen aus Reizen verarbeiten können, die unterhalb der absoluten Schwelle für Bewusstheit liegen. Aber die eingeschränkten Bedingungen, unter denen dies geschieht, würden skrupellose Opportunisten nicht in die Lage versetzen, uns mit subliminalen Botschaften zu verführen.

Die sensorische Adaptation besteht darin, dass bei uns die Empfindlichkeit für konstante oder alltägliche Gerüche, Töne und Berührungen geringer wird. Wir ziehen einen Nutzen aus diesem Phänomen, weil sich unsere Aufmerksamkeit auf Informationsveränderungen bei der Stimulation konzentriert und nicht auf die Elemente in unserer Umwelt, die sich nicht verändern.

 

Sehen

Transduktion ist der Prozess, bei dem unser Wahrnehmungssystem Reizenergie als neuronale Botschaften kodiert, die das Gehirn verstehen kann. Beim Sehen wandeln wir Lichtenergie in diese neuronalen Impulse um. Die Energien, die wir als sichtbares Licht wahrnehmen, sind nur ein winziger Ausschnitt aus dem breiten Spektrum elektromagnetischer Strahlung. Die Farbschattierung und Helligkeit, die wir in einem Licht wahrnehmen, ist von dessen Wellenlänge und Intensität abhängig.

Die Hauptstrukturen des Auges: Das Licht tritt durch die Hornhaut des Auges, die Cornea, ein, einer Schutzschicht, die den Lichtstrahl bricht. Durch die Iris, einen Muskelring, wird die Größe der Pupille eingestellt, durch die das Licht ins Auge eintritt. Die Linse verändert ihre Form, um die Lichtstrahlen auf der Retina zu fokussieren, der inneren Oberfläche des Auges, auf der die Lichtenergie in Nervenimpulse umgewandelt wird. Nach der Kodierung in der Retina gelangen diese über den Sehnerv ins Gehirn. Obwohl die Retina ein Bild empfängt, das auf dem Kopf steht, bearbeitet das Gehirn die eingehenden Impulse so, dass das Bild wieder richtig zu stehen scheint. Formveränderungen des Augapfels können einen Einfluss auf die Sehschärfe haben.

Die beiden Arten von Rezeptoren in der Retina sind die Stäbchen und die Zapfen. Sie unterscheiden sich in Bezug auf Gestalt, Anzahl, Funktion, Lage und Verbindungen zum Gehirn. Wenn das Licht ins Auge eintritt, löst dies eine photochemische Reaktion in den Stäbchen und Zapfen aus, die wiederum die bipolaren Zellen aktiviert. Die bipolaren Zellen aktivieren Ganglionzellen, und ihre Axone (die zusammen den Sehnerv bilden) übermitteln (über den Thalamus) Informationen an den visuellen Kortex in der Okzipitalregion des Gehirns. Die Stäbchen, die zahlreicher sind, befinden sich hauptsächlich in der Peripherie der Retina und sind lichtempfindlicher. Mehrere Stäbchen senden gemeinsam Botschaften an eine bipolare Zelle, und diese Informationsansammlung erlaubt es uns, bei schlechter Beleuchtung grobe Bilder zu sehen. Die Zapfen sind im Bereich der Fovea konzentriert und sind empfindlich für Farbe und Details. Ein Zapfen kann direkt mit einer einzelnen bipolaren Zelle verbunden sein, und diese Direktverbindung zum Gehirn erhält die feinsten Einzelheiten in der Botschaft des Zapfens.

Wahrnehmungen entstehen aus der Wechselwirkung zwischen vielen Neuronensystemen, die jeweils eine einfache Aufgabe ausführen. Die Verarbeitung beginnt in den mehrfachen neuronalen Schichten der Retina, anschließend übermitteln die 6 Mio. Zapfen und die 120 Mio. Stäbchen der Retina ihre Informationen über die bipolaren Zellen an die Ganglionzellen. Die Impulse wandern entlang der Axonen der Ganglionzellen, die den Sehnerv bilden, zum Thalamus und weiter zum visuellen Kortex. In der Sehrinde (visueller Kortex) reagieren Merkmalsdetektoren auf die besonderen Merkmale eines visuellen Reizes. Die übergeordneten Zellen eines höheren Niveaus führen diese gesammelten Daten zusammen, um sie dann in anderen Arealen des Kortex zu verarbeiten. Wenn die sensorischen Signale die unterschiedlichen Verarbeitungsniveaus durchlaufen, werden sie von unseren Annahmen, Interessen und Erwartungen beeinflusst.

Parallelverarbeitung ist die natürliche Methode der Informationsverarbeitung im Gehirn; mit ihrer Hilfe kann man viele Aspekte eines Problems gleichzeitig angehen. Die Fähigkeit des Gehirns, mehrere Aufgaben gleichzeitig auszuführen, ermöglicht es ihm, Unterdimensionen des Sehens (Farbe, Bewegung, Tiefe und Form) auf unterschiedliche neuronale Teams zu verteilen, die getrennt voneinander und gleichzeitig arbeiten. Andere neuronale Teams arbeiten dabei zusammen, die Ergebnisse zusammenzuführen, sie mit gespeicherten Informationen zu vergleichen und Wahrnehmungen zu ermöglichen.

Die Theorie von Young und Helmholtz: In der Dreifarbentheorie (trichromatischen Theorie) von Young und Helmholtz wird angenommen, dass es in der Retina drei Arten von Farbrezeptoren gibt. Die heutige Forschung fand drei Arten von Zapfen, die jeweils am empfindlichsten auf eine der 3 Grundfarben des Lichts (Rot, Grün oder Blau) reagieren. In Herings Gegenfarbentheorie wurden zwei zusätzliche Farbprozesse (rot versus grün und blau versus gelb) sowie ein dritter Schwarz-versus-weiß-Prozess angenommen. Die moderne Forschung hat bestätigt, dass auf dem Weg zum Gehirn Neuronen in der Retina und im Thalamus die farbbezogenen Informationen von den Zapfen in Gegenfarbenpaare kodieren, wie dies auch durch das Phänomen der Nachbilder bestätigt wird. Diese beiden Theorien und die sie stützende Forschung zeigen, dass die Farbverarbeitung in zwei Stufen erfolgt.

Farbkonstanz ist unsere Fähigkeit, bei Objekten eine in sich konsistente Farbe wahrzunehmen, obwohl die Beleuchtung und die Wellenlängen wechseln. Dieses Phänomen zeigt, dass das Gehirn unser Farbempfinden durch Vergleiche mit anderen Objekten in der Umgebung konstruiert.

 

Hören

Schallwellen sind ringförmige Bänder sich komprimierender und sich ausdehnender Luft. Unsere Ohren nehmen diese Veränderungen im Luftdruck wahr und wandeln sie in neuronale Impulse um, die das Gehirn als Töne dekodiert. Schallwellen unterscheiden sich in ihrer Frequenz und Amplitude, die wir als Unterschiede in der Tonhöhe und der Lautstärke wahrnehmen.

Die drei Bereiche des Ohrs und die Ereignisabfolgen, die dazu führen, dass elektrische Impulse zum Gehirn geschickt werden: Das äußere Ohr ist der sichtbare Teil des Ohrs. Das Mittelohr ist die Kammer zwischen dem Trommelfell und der Kochlea. Das Innenohr besteht aus der Kochlea, den Bogengängen und den Sacculi des Vestibularapparats. Mit Hilfe einer mechanischen Kettenreaktion werden die Schallwellen durch den Gehörgang geleitet und rufen am Ende geringfügige Schwingungen des Trommelfells hervor. Die Knöchelchen des Mittelohrs verstärken die Schwingungen und übertragen sie auf die mit Flüssigkeit gefüllte Kochlea. Dadurch, dass die Basilarmembran in wellenartige Bewegungen versetzt wird, die durch Druckveränderungen in der Kochlearflüssigkeit verursacht werden, werden die winzigen Haarzellen bewegt, durch die wiederum Nervenimpulse ausgelöst werden, die (über den Thalamus) an den auditorischen Kortex im Gehirn gesandt werden.

In der Ortstheorie wird angenommen, dass unser Gehirn eine bestimmte Tonhöhe dadurch interpretiert, dass es die Lage des Punktes (deshalb »Ortstheorie«) dekodiert, an dem eine Schallwelle die Basilarmembran der Kochlea stimuliert hat. In der Frequenztheorie wird angenommen, dass das Gehirn die Anzahl und die Frequenz (deshalb »Frequenztheorie «) der Pulse dechiffriert, die im Hörnerv zum Gehirn wandern. Die Forschung hat beide Theorien bestätigt, aber für unterschiedliche Hörbereiche. Mit Hilfe der Ortstheorie lässt sich nicht erklären, wie wir tiefe Töne hören können (die nicht auf der Basilarmembran verortet werden können), aber sie bietet eine Erklärung dafür, wie wir hohe Töne wahrnehmen. Mit Hilfe der Frequenztheorie lässt sich nicht erklären, wie wir hohe Töne hören (einzelne Neuronen können nicht schnell genug feuern, um die notwendige Anzahl von Spannungsspitzen hervorzubringen. Die Frequenztheorie liefert jedoch eine Erklärung dafür, wie wir tiefe Töne wahrnehmen. Eine Kombination aus beiden Theorien erklärt, wie wir Töne im mittleren Bereich hören.

Schallwellen treffen auf das eine Ohr früher und intensiver als auf das andere. Mit Hilfe von Parallelverarbeitung analysiert das Gehirn winzige Unterschiede in Bezug auf die Töne, die von den beiden Ohren aufgenommen werden, und berechnet die Schallquelle.

Die beiden Arten von Schwerhörigkeit: Schallleitungsschwerhörigkeit ist eine Folge einer Schädigung des mechanischen Systems, das die Schallwellen an die Kochlea überträgt. Schallempfindungsschwerhörigkeit (oder Nervenschwerhörigkeit) ist die Folge einer Schädigung von Haarzellen in der Kochlea oder von damit verbundenen Nerven. Diese Probleme können durch Krankheiten und Unfälle hervorgerufen werden, aber altersbedingte Störungen und dauernde Konfrontation mit lauten Geräuschen sind die häufigeren Ursachen von Schwerhörigkeit, vor allem von Nervenschwerhörigkeit.

Kochlearimplantate werden an unterschiedlichen Stellen mit dem Hörnerv verbunden; das ermöglicht es ihnen, elektrische Impulse an das Gehirn zu übertragen. Diese Geräte können gehörlosen Kindern dabei helfen, einige Töne zu hören und die Verwendung der gesprochenen Sprache zu erlernen. Doch Kochlearimplantate sind am wirkungsvollsten, wenn die Kinder noch ganz klein sind; dies bedeutet, dass die Eltern die Entscheidung für ihre gehörlosen Kinder treffen müssen. Die Fürsprecher der Gehörlosenkultur sind der Auffassung, dass die Operation unnötig ist, weil sie Gehörlosigkeit nicht als Behinderung ansehen - gehörlose Menschen haben bereits eine vollständige Sprache: die Gebärdensprache. Einige sind zudem der Meinung, dass die sensorische Kompensation, die andere Sinne sensibler werden lässt, gehörlosen Menschen Vorteile gegenüber Hörenden verschafft.

 

Andere wichtige Sinne

Der Tastsinn besteht eigentlich aus 4 verschiedenen Sinnen: dem Drucksinn, dem Wärme- und Kältesinn und dem Schmerzsinn, die in Kombination andere Empfindungen erzeugen, wie etwa »heiß«. Von diesen verfügt nur der Drucksinn über spezialisierte Rezeptoren.

Der biopsychosoziale Ansatz der Schmerztheorie: Eine Schmerztheorie geht davon aus, dass es im Rückenmark eine Art »Tor« gibt, das entweder offen ist, um Schmerzsignale über dünne Nervenfasern zum Gehirn aufsteigen zu lassen, oder aber geschlossen wird, um ihren Durchgang zu verhindern. Von der biopsychosozialen Perspektive aus wird das Schmerzerleben eines Menschen als Summe dreier Gruppen von Erfahrungen angesehen: biologischer Einflüsse (wie etwa Nervenfasern, die Botschaften ans Gehirn senden), psychologischer Einflüsse, (wie etwa die Situation oder unsere früheren Erfahrungen) und soziokulturelle Einflüsse (wie etwa kulturelle Erwartungen und die Anwesenheit von Beobachtern). Bei der Behandlung zur Schmerzkontrolle werden oft psychologische und physiologische Elemente in Kombination miteinander eingesetzt.

Der Geschmackssinn, ein chemischer Sinn, setzt sich eigentlich aus 5 Grundempfindungen zusammen (süß, sauer, salzig, bitter und »umami«) sowie aus den Aromen, die mit den Informationen der Geschmacksknospen interagieren. Die Geschmacksknospen an der Oberseite und im hinteren Teil der Zunge sowie am Gaumen enthalten die Geschmacksrezeptorzellen. Diese Zellen senden Informationen an ein Areal im Temporallappen in der Nähe des Areals, in dem olfaktorische Informationen aufgenommen werden. Der Einfluss des Geruchs auf unseren Geschmackssinn ist ein Beispiel für sensorische Interaktion, die Fähigkeit eines Sinnes, einen anderen zu beeinflussen.

Wie der Geschmackssinn ist auch der Geruchssinn eine chemische Sinnesempfindung; doch es gibt keine Grundelemente für die Geruchsempfindung, wie es Grundelemente etwa bei der Tast- und bei der Geschmacksempfindung gibt. Im Gegensatz zu den Rezeptorzellen der Retina, die Farben erkennen, indem sie sie in ihre Bestandteile zerlegen, erkennen die über 5 Mio. Geruchsrezeptorzellen einzelne Geruchsmoleküle mit etwa 350 verschiedenen Rezeptorproteinen. Die Rezeptorzellen senden Botschaften ans Riechhirn, dann weiter an den Temporallappen und an Teile des limbischen Systems. Manche Gerüche sprechen eine Kombination von Rezeptoren an. Die Fähigkeit des Geruchssinns, spontan Erinnerungen und Gefühle hervorzurufen, geht teilweise auf die enge Verbindung zwischen den Gehirnarealen, die Gerüche verarbeiten und denen zurück, die an der Speicherung im Gedächtnis beteiligt sind.

Unterschied zwischen Kinästhesie und dem Gleichgewichtssinn: Mit Hilfe von Millionen Sensoren für Lage und Bewegung, die über den ganzen Körper verteilt sind, überwacht unser kinästhetischer Sinn die Lage und Bewegung einzelner Körperteile. Unser Gleichgewichtssinn beruht auf den Bogengängen und den Sacculi im Vestibulärapparat des Innenohrs, die die Lage und die Bewegungen unseres Kopfes - und damit unseres ganzen Körpers - wahrnehmen; dadurch schaffen wir es, das Gleichgewicht zu halten.

 

Wie wir die Welt wahrnehmen: Einige grundlegende Prinzipien

Das Zusammenspiel von Aufmerksamkeit und Wahrnehmung: Bei einem Vorgang, der herkömmlich als Empfindung bekannt ist, erfassen der Sehsinn, der Hörsinn, der Geschmackssinn, der Geruchssinn und der Tastsinn eine physikalische Energie in der Umwelt und enkodieren sie in Form neuronaler Signale. Mit Hilfe des Wissens und der Erwartungen nimmt unser Gehirn in diesen Signalen eine Bedeutung wahr. Wir richten unsere Aufmerksamkeit selektiv auf eine begrenzte Anzahl von Daten und verarbeiten sie, während sie auf unsere Sinnesorgane einprallen; andere blenden wir aus. Die konzentrierte Aufmerksamkeit kann Blindheit durch Unaufmerksamkeit bzw. Veränderungsblindheit oder sogar Auswahlblindheit zur Folge haben.

 

Wahrnehmungstäuschungen

Psychologen sind von Wahrnehmungstäuschungen fasziniert, weil sie zeigen, wie wir normalerweise Empfindungen organisieren und interpretieren. Wenn visuelle und andere sensorische Informationen einander widersprechen, löst unser Gehirn die Nichtübereinstimmung gewöhnlich so, dass es die visuellen Daten akzeptiert, eine Tendenz, die als visuelle Dominanz bezeichnet wird. Stehen Hörsinn und Tastsinn gegeneinander, dominiert wahrscheinlich der Hörsinn.

 

Wahrnehmungsorganisation

Gestaltpsychologen suchen nach Regeln, mit deren Hilfe das Gehirn Bruchstücke sensorischer Daten in Gestalten oder sinnvollen Formen organisiert. Diese Forscher betonten den alten Lehrsatz, dass das Ganze mehr als die Summe seiner Teile ist. Dadurch zeigten sie, dass wir ständig sensorische Informationen ausfiltern und daraus so auf Wahrnehmungen schließen, dass sie für uns einen Sinn ergeben. Der wahre Kern bleibt weiterhin richtig, auch wenn die aktuelle Forschung zeigt, dass Empfindung und Wahrnehmung Bestandteile eines kontinuierlichen Informationsverarbeitungssystems sind, zu dem sowohl Bottom-up- als auch Top-down-Verarbeitung gehören.

Die Figur-Grund-Beziehung und die Prinzipien der Wahrnehmungsgruppierung bei der Formwahrnehmung: Um ein Objekt zu erkennen, müssen wir es zuerst wahrnehmen, d. h. als Figur sehen, die sich von ihrer Umgebung (dem Grund) deutlich unterscheidet. Wir bringen Ordnung und Form in die Welt der Reize, indem wir die Reize in sinnvollen Gruppierungen organisieren und dabei den Regeln der Nähe, der Ähnlichkeit, der Kontinuität, des Zusammenhangs und der Geschlossenheit folgen.

Tiefenwahrnehmung ist unsere Fähigkeit, Objekte in drei Dimensionen zu sehen, obwohl auf unsere Retina nur zweidimensionale Bilder auftreffen. Ohne die Tiefenwahrnehmung wären wir nicht in der Lage, die Entfernung, die Höhe und die Tiefe zu beurteilen. Die Forschung zur visuellen Klippe hat bei 6-14 Monate alten Kleinkindern gezeigt, dass Tiefenwahrnehmung teilweise angeboren ist. Viele Arten von Lebewesen nehmen die Welt schon von Geburt an oder kurz danach als dreidimensional wahr.

Binokulare Hinweisreize sind Hinweisreize für Tiefe, die auf Informationen aus beiden Augen beruhen. Beim Hinweisreiz der retinalen Disparität berechnet das Gehirn die relative Entfernung eines Objekts, indem es die leicht unterschiedlichen Bilder, die vom Objekt auf die beiden Retinae treffen, miteinander vergleicht. Je größer der Unterschied ist, desto näher muss das Objekt sein. Beim Hinweisreiz der Konvergenz berechnet das Gehirn, wie stark unsere Augen neuromuskulär angespannt sind, wenn sie sich nach innen bewegen, um ein Objekt in der Nähe anzusehen. Je größer die Anspannung (oder der Konvergenzwinkel), desto näher das Objekt.

Monokulare Hinweisreize gestatten es uns, Tiefe mit Hilfe von Informationen zu beurteilen, die nur von einem Auge übermittelt werden. Binokulare Hinweisreize setzen dagegen Informationen von beiden Augen voraus. Zu den monokularen Hinweisreizen gehören:

  • relative Größe (etwas Kleineres ist weiter entfernt),
  • Interposition (versperrt uns ein Objekt die Sicht auf ein anderes, ist es näher als das andere Objekt),
  • Relative Klarheit (ein Objekt im Nebel ist weiter entfernt als ein Objekt, das man klar und deutlich sehen kann),
  • Texturgradient (wenn sich die Textur verändert, sind grobe, deutlich strukturierte Objekte nah, feine, nicht mehr unterscheidbare weiter entfernt),
  • Relative Höhe (Objekte, die weiter oben im Gesichtsfeld liegen, sind weiter entfernt),
  • Relative Bewegung oder Bewegungsparallaxe (wenn man sich bewegt, scheinen sich Gegenstände, die eigentlich unbeweglich sind, ebenfalls zu bewegen),
  • Zentralperspektive (je stärker zwei parallele Linien konvergieren, desto weiter entfernt sind sie),
  • Licht und Schatten (nähere Gegenstände reflektieren mehr Licht als weiter entfernte Gegenstände)

 

Bewegungswahrnehmung: Wenn sich Objekte quer über unsere Retina oder auf sie zu bewegen, machen wir die grundlegende Annahme, dass schrumpfende Objekte sich von uns weg bewegen und größer werdende Objekte sich uns nähern. Aber wir können uns nicht immer auf unsere Bewegungswahrnehmung verlassen. Möglicherweise berechnen wir mit Hilfe unseres peripheren Sehens die Geschwindigkeit der Bewegung großer Objekte falsch. Wenn die Bilder auf der Retina in schneller Abfolge auftreffen, so kann dies eine Bewegungstäuschung hervorrufen, wie bei der stroboskopischen Bewegung (ausgelöst durch eine rasche Abfolge leicht variierender Bilder) oder beim Phi-Phänomen (ausgelöst durch ein schnelles An- und Ausschalten zweier stationärer Lichtquellen).

Beim Sehen ist die Wahrnehmungskonstanz Voraussetzung dafür, dass man ein Objekt unabhängig von der Änderung des Blickwinkels, der Entfernung oder der Beleuchtung erkennt. Wegen dieser Fähigkeit nehmen wir Objekte als etwas wahr, was trotz der sich verändernden Bilder, die sie auf die Retina projizieren, unveränderliche charakteristische Merkmale hat.

Bei der Formkonstanz handelt es sich um unsere Fähigkeit, vertraute Objekte (wie etwa eine sich öffnende Tür) als in ihrer Form unveränderlich wahrzunehmen. Größenkonstanz bedeutet, Objekte trotz ihrer sich verändernden Bilder auf unserer Retina als unveränderlich in ihrer Größe wahrzunehmen. Es gibt einen engen Zusammenhang zwischen wahrgenommener Größe und wahrgenommener Entfernung. Wenn man die Größe eines Objekts kennt, so ist das ein Anhaltspunkt für seine Entfernung; wenn man seine Entfernung kennt, ist das ein Hinweis auf seine Größe. Dieses Zusammenspiel führt uns bisweilen in die Irre, wenn wir etwa monokulare Hinweisreize für Entfernung fehlinterpretieren und zu falschen Schlüssen kommen wie bei der Mondtäuschung, der Ponzo- Täuschung und der Müller-Lyer-Täuschung.

Bei der Helligkeitskonstanz handelt es sich um unsere Fähigkeit, ein Objekt als etwas wahrzunehmen, was eine konstante Helligkeit hat, auch wenn sich die Beleuchtung - das Licht, das darauf geworfen wird - ändert. Die Farbkonstanz ermöglicht es uns, die Farbe eines Objekts als unveränderlich wahrzunehmen, auch wenn sich die Beleuchtung ändert. In beiden Fällen nimmt das Gehirn die Eigenschaft (Helligkeit oder Farbe) als relativ zu den Objekten in der Umgebung wahr.

 

Wahrnehmungsinterpretation

Die Forschung zur Wiederherstellung des Sehvermögens und zur sensorischen Deprivation leisten einen Beitrag für unser Verständnis, wie Anlage und Umwelt bei unserer Wahrnehmung zusammenwirken: Wären alle Aspekte der visuellen Wahrnehmung von Geburt an vollständig vorhanden, müssten die Menschen, die blind auf die Welt kamen, aber nach einer Operation wieder sehen konnten, eigentlich eine normale visuelle Wahrnehmung haben. Das ist aber nicht der Fall. Nach einer operativen Beseitigung des Katarakts z. B. können Erwachsene, die von Geburt an blind waren, zwischen Figur und Grund unterscheiden und Farben wahrnehmen, ihnen fehlt aber die Erfahrung, Gestalten, Formen und ganze Gesichter zu erkennen. Weitere Befunde gibt es für Tiere, die mit stark eingeschränktem visuellen Input aufwuchsen und die eine bleibende Sehstörung bekamen, als sie wieder normalen visuellen Reizen ausgesetzt wurden. Klinische und experimentelle Befunde deuten darauf hin, dass es eine kritische Phase für einige Aspekte der Entwicklung von Sensorik und Wahrnehmung gibt. Ohne die Stimulierung durch die frühen visuellen Erfahrungen entwickelt sich die neuronale Organisation des Gehirns nicht normal.

Bekommen Menschen Brillen aufgesetzt, die die Welt leicht nach links oder nach rechts verschieben oder gar völlig auf den Kopf stellen (Umkehrbrillen), sind sie anfangs desorientiert, aber es gelingt ihnen schon bald, sich an den neuen Kontext anzupassen und sich, mit einiger Übung, problemlos zu bewegen. Diese Forschung demonstriert unsere Fähigkeit, uns an ein künstlich verändertes Gesichtsfeld anzupassen und unsere Bewegungen in Reaktion auf diese neue Welt zu koordinieren.

Ein Wahrnehmungsset ist eine mentale Prädisposition, die die Funktion eines Brillenglases hat, durch das wir die Welt sehen. Wieder einmal treten Anlage und Umwelt in eine Wechselwirkung: Die sensorischen Signale prallen an unseren Erfahrungen, erlernten Annahmen und Überzeugungen ab. Weil unsere erlernten Begriffe (Schemata) als Vorreiz (Prime) dienen, um nicht eindeutige Reize in bestimmter Weise zu organisieren und zu interpretieren, bringt unsere Wahrnehmung unsere Version der Realität zum Ausdruck. Deshalb »sehen« manche von uns Monster, Gesichter und Ufos bzw. »hören« Botschaften und andere nicht.

Wenn wir einen bestimmten Reiz wahrnehmen, den wir mit Hilfe mehrerer unterschiedlicher Schemata interpretieren könnten, durchforsten wir den unmittelbaren Kontext nach Informationen. Kontext schafft Erwartungen, von denen unsere Wahrnehmungen geleitet werden. Ein emotional getönter Kontext kann unsere Interpretation des Verhaltens anderer Menschen (und unseres eigenen Verhaltens) beeinflussen. Wahrnehmungsset und Kontexteffekte gehen eine Wechselwirkung ein und tragen dazu bei, dass wir unsere Wahrnehmungen konstruieren.

Arbeitspsychologen ermutigen Entwickler und Designer dazu, die Wahrnehmungsfähigkeiten des Menschen mitzubedenken, den Fluch des Wissens zu umgehen und den Test am lebenden Objekt einzuplanen, um vor der Produktion und dem Vertrieb der fertigen Produkte Probleme aufzudecken, die auf die Wahrnehmung zurückgehen. Psychologen, die sich mit dem Faktor Mensch beschäftigen, haben für mehr Sicherheit im Flugverkehr und in der Raumfahrt gesorgt, für besser designte Geräte, Ausrüstungen und Arbeitsumgebungen sowie für leichter benutzbare Hörhilfen.

 

Gibt es außersinnliche Wahrnehmung tatsächlich?

Außersinnliche Wahrnehmung ist eine Form angeblicher paranormaler Phänomene (eine weitere Form ist die Psychokinese). Die 3 am besten überprüfbaren Formen der außersinnlichen Wahrnehmung sind

  • die Telepathie (Kommunikation von einer Seele zur anderen),
  • Hellsehen (Wahrnehmung räumlich entfernter Ereignisse) und
  • Präkognition (Wahrnehmung künftiger Ereignisse).

Die Skepsis der meisten Psychologen an den Universitäten konzentriert sich auf 2 Hauptpunkte, wobei der letzte der wichtigere ist:

  • Um an außersinnliche Wahrnehmung zu glauben, muss man der Meinung sein, das Gehirn könne wahrnehmen, ohne sensorische Signale zu bekommen.
  • Parapsychologen konnten die Phänomene der außersinnlichen Wahrnehmung bisher nicht unter kontrollierten Bedingungen replizieren (reproduzieren).